Selbsthilfe bei Schüchternheit und sozialer Phobie

 

Rundbrief Juni 2005

Titelseite

Inhalt:
   - Pfingsttreffen in Hannover
   - Das Schüchternen-Erlebnisbuch
   - Das Wunschzettelverfahren

Rundbrief als PDF


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"Was? Noch ein Rundbrief?"
Ja, noch ein Rundbrief. Wir möchten den Rundbrief zu einer Vereinszeitung machen. Wir sehen dafür mehrere gute Gründe:
1. Wir sehen das als notwendige Ergänzung zu unserem Internetangebot. Papier ist einfach besser lesbar.
2. Damit erreichen wir auch "passive Mitglieder": jene Leute, die gern zu ihrer Gruppe kommen wollen, aber die zu oft Spätschicht haben oder die viel fürs Studium lernen müssen oder ähnliches.
3. Eine solche Zeitung hebt die Kommunikation zwischen den Gruppen auf ein organisierteres Niveau.
4. Damit haben wir eine Möglichkeit mehr, die Leute aus ihrem Schneckenhaus zu holen.

Der intakt-Rundbrief wird zur Zeit an alle aktiven und passiven Mitglieder der intakt-Mitgliedsgruppen verteilt. Außerdem wird je ein Exemplar an die anderen Gruppen in Norddeutschland versandt. An Gruppen, die mehr Exemplare möchten versenden wir auf Wunsch auch gern mehr.
Natürlich könnt ihr auch selbst Artikel schreiben.
Oh ja, wir verlangen da schon wieder viel von euch. Aber wir wollen, daß ihr alles tut, was euch Selbstbewußtsein gibt. Also los!

ZITAT

"Wenn ich gewußt hätte, was in der Therapie auf mich zukommt, hätte ich sie garnicht erst angefangen."

Anonymer Angstpatient



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Pfingsttreffen in Hannover

Am Pfingstmontag, dem 16.05.2005, sollte ein übergeordnetes Treffen der Schüchternen und Sozialphobiker Norddeutschlands, organisiert vom Intakt e.V., in Hannover stattfinden.
Hierüber wurde im Vorfeld einiges an Werbung getan, in den entsprechenden intakt-Rundbrief, auch mit Hilfe des Internets über das Forum www.sozialeangst.de. So konnten sich bei herrlichem Sommerwetter 23 aktive Menschen zusammenfinden, um gemeinsam einen Tag in der niedersächsischen Landeshauptstadt zu verbringen. Auch wenn die Zahl der Teilnehmerinnen und Teilnehmer schon etwas mehr sein konnte, tat dies dem großen Spaß, den das Treffen verursachte, keinen Abbruch.
So trafen sich Teilnehmer verschiedener Selbsthilfegruppen aus Braunschweig, Wolfsburg, Hannover, Goslar und Peine. Der Treffpunkt wurde im "Biergarten Waterloo" ausgemacht, welcher sich als passender Ort für diesen Tag erwies. Nachdem man bei strahlendem Sonnenschein einige Biere und andere Getränke und auch ein schönes Essen genießen konnte, lernte man neue Bekanntschaften kennen, aus dem sich überall interessante Gespräche entwickelten.
Nach einem ersten Kennenlernen wurde der Maschsee aufgesucht und durch einen Spaziergang besichtigt. Hier kam man auch in positiven Kontakt zu anderen Menschen und dem regen Treiben am Maschsee, welches einen Volksfestcharakter hatte. Irgendwann trennte sich die Gruppe, da es unterschiedliche Interessen gab, aber jeder kam auf seine Kosten. Einige besuchten das Sprengel-Museum, wo aktuell eine Ausstellung über Dämonen und Magier stattfand. Andere wanderten einmal um den See oder fuhren auf den Ausflugsbooten mit.
Als Fazit kann man festhalten, dass es ein großer Spaß für jeden Teilnehmer war und ein solches Treffen als große Bereicherung für jeden Sozialphobiker anzusehen ist. Schade war die etwas geringe Teilnehmerzahl, hier hoffen wir bei zukünftigen Treffen, das sich auch diejenigen, die bisher nicht den Mut aufbringen konnte, sich einer größeren Gruppe anzuschließen, es beim nächsten Mal einfach mal versuchen. Keiner der Anwesenden hat den Besuch bereut, aber viele als großen Gewinn für die eigene Entwicklung angesehen.

Ingo / Goslar

P.S.:
Wir sind nicht die einzigen, die solche Treffen veranstalten - sie finden immer mal wieder in ganz Deutschland statt. Die Termine stehen im Internet: im Forum von www.sozialeangst.de. Wenn wir eine Fahrgemeinschaft planen, schreiben wir das in den Terminkalender unserer Webseite www.schuechterne.org.



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Das Buch

Hier sind genauere Informationen, wie ich mir das Buch vorstelle. Denn: Ich habe von mehreren Leuten die Absicht gehört, sie wollten was schreiben, habe aber bin jetzt von ihnen nichts weiter gehört. Ich kenne selbst die Hürde zwischen Wollen und Machen. Ich kenne auch von mir selbst Gründe dafür und dagegen. Ich hoffe deshalb, diese Erklärungen sind Gründe dafür.

Was soll im Buch stehen?
Möglichst viele Aspekte von Schüchternheit / Sozialphobie / Isolation. Die Liste aus dem letzten Rundbrief habe ich mal erweitert:
- Probleme
- Schüchternheit und Gesellschaft
- "Mein Leben als Außenseiter"
- Die positive Seite der Schüchternheit / auf eigene Ideen kommen
- Erfahrungen mit Therapien
- Lösungen
- Wie bin ich über die Hemmschwelle gekommen?
- Gestaltung einer an sich angepaßten Umwelt
- Mein Weg in die Gruppe
- Mein Leben vor / nach der Gruppe
- Erfahrungen in der Gruppe
- Erfahrungen mit anderen Schüchternen / Sozialphobikern
- "Was ich Schüchternen schon immer sagen wollte"

Was soll nicht drinstehen?
- "Da kann man ja doch nichts machen": nur Depri
- Wenn irgendwer schlecht beschrieben werden soll: dessen Name
- Anderswo geklaute Texte

Was soll es aussagen?
Das Buch hat das Ziel, das in unserer Vereinssatzung steht: Förderung der Selbsthilfe. Leser sollen Vorbilder finden und zu eigener Bewältigung ermutigt werden: "das kann ich doch auch". Autoren können eigene Kompetenz erleben, "ich kann ja schreiben, und ich hab was zu sagen". Und der Verein soll bekannter werden.

Wie lang sollte der Text sein?
So etwa 5 Computerseiten im DIN A5-Format. Das ist natürlich nur ein Richtwert: Wem zum Thema nur ein Vierzeiler einfällt, ist genauso willkommen. Und erst wenn es länger als 8-10 Seiten wird, solltet ihr drüber nachdenken, es zu kürzen.

Soll ich den Text auf Papier oder digital einreichen?
Egal. Digital ist natürlich einfacher für mich, aber deshalb lehne ich keinen Text auf Papier ab.

Bis wann sollte der Text fertig sein?
Nimm dir die Zeit, die du brauchst. Aber bitte nicht mehr. Wenn du eine Idee hast, fang am besten gleich an.

Darf der Text auch anonym ins Buch?
Ja, das geht. Ich denke, auch ich werde einen von meinen beiden Texten anonym veröffentlichen. Allerdings muß zumindest einer wissen, von wem welcher Text ist: ich (wegen Urheberrecht, Rückfragen und ähnlichem).

Alte oder neue Rechtschreibung?
Egal, könnt ihr euch aussuchen (oder vielleicht stellt der Verlag das um). Aber Fehler, die mir in dieser Gesellschaft zu oft negativ auffallen, werde ich korrigieren. Ich denke da vor allem an Falsche Groß Klein und Getrennt Schreibung, an falscher Stelle, gesetzte Kommas, unnötigen Gebrauch de's Apo'stroph's und das auch in der neuen Rechtschreibung "das" und "dass" oft verwechselt werden.
Trotzdem: "Waß" zählt, ist der Inhalt. Die Rechtschreibung ist nur ein kleines Problem.

Gibt es Tantiemen und/oder Freiexemplare für die Autoren?
Die Einnahmen aus dem Buch müssen erst dazu verwendet werden, die Leute auszuzahlen, die das Buch vorfinanziert haben. Geld und/oder ein Freiexemplar kann ich erst versprechen, sobald diese Leute ihr Geld wiederhaben. Dann denk ich daran, die Gewinne zur Hälfte unter den Autoren zu verteilen (die andere Hälfte geht als Spende an den Verein).
Ich denke auch daran, Autoren, die vor Erreichen der Gewinnschwelle ein Buch gekauft haben, das Geld zu erstatten, sobald die Gewinnschwelle überschritten ist.

Ich hab nichts zu erzählen!
Meine Geschichte will keiner hören!
Mein Text ist zu schlecht geworden!
Solche Gedanken sind normal, da meldet sich deine Angst. Die Angst, die du eigentlich überwinden wolltest. Fang einfach an zu schreiben, egal ob es nichtssagend oder schlecht ist. Leg es ein paar Tage weg, dann lies es nochmal. Ist es nicht schon besser? Und fällt dir nicht gerade noch was dazu ein? Na also, geht doch.
Denk auch dran: Du bist schüchtern. Die meisten Schüchternen denken über alles genau nach, wollen alle Möglichkeiten negativ aufzufallen, vorher kennen, wollen es perfekt machen. Dann kommt natürlich ein perfekter Text bei raus. (Das kenne ich aus meinem Studium: Ich habe mich semesterlang um die Hausarbeit gedrückt, und als ich sie dann doch geschrieben hab, bekam ich eine 1 drauf.)
Und ich kenne noch etwas von mir selbst: Wenn du das Buch später in der Hand hast und merkst, "ach das hätt ich ja auch gekonnt", dann wirst du wahnsinnig frustriert sein.


Und wenn ihr immer noch zweifelt, ob ihr das könnt: Hier ist ein Ausschnitt aus einem schon fertigen Text. Ich glaube, so könnt ihr das auch:
Alles, was ich an dem Abend zu mir nehmen konnte, war eine Tüte Chips - ein typisches Frustessen, schmeckt immer - und ein Bier, das aber in der Lage natürlich nicht geschmeckt hat.
Um 23 Uhr ging ich dann wieder raus, mit offenen Sandalen. Eigentlich wollte ich da nur nachsehen, ob meine Therapeutin am nächsten Tag eine "offene Sprechstunde" hat, zu der ich ohne Termin hätte gehen können. Das stand leider nicht an der Tür. Direkt zum Wohnheim zurück scheine ich nicht gewollt zu haben, wahrscheinlich, weil ich es da hätte tun können. Also ging ich noch etwas durch die Gegend. Zwei leere Pfandflaschen am Weg nahm ich einfach mit.
Ich sag es gleich: Ich ging in der Nacht über zwei Stunden. Als ich den Weg zwei Jahre später auf dem Stadtplan ausgemessen hab, überraschte mich die Streckenlänge von 10 Kilometern. Es ist auffällig, wie oft mein Weg auf den ersten vier Kilometern immer wieder zum Wohnheim zurückführt, aber dann doch noch zu einer "Ausweichrunde" abbiegt.
Nach den vier Kilometern führte mich ein solches Ausweichen in die Innenstadt. Ich war in der Nähe eines Denkmals, das ich sowieso ansehen wollte, und nahm das als willkommenen Anlaß, die Stunde der Wahrheit noch etwas rauszuschieben.
Meine Gedanken bei diesem Fußmarsch kennt sicher jeder, der ähnliche Ängste kennt: "Ja, nein, ääh, doch, aber dann könnte doch, was denkt sie, wenn ja, hey, das ist doch nichts perverses, das muß ich doch können, aber, naja, ich geh erst noch da lang, dann aber!" Das drückt natürlich auf die Stimmung. So manche Straße, durch die ich damals gegangen bin, weckt auch heute noch bedrängende Gefühle in mir. Ich kam an einem anderen Studentenwohnheim vorbei, das in einem Fachwerkhaus untergebracht war. "Und ich muß in so einem grauen Betonbunker wohnen mit einer unerreichbaren Frau vor dem Fenster..."


Wer wissen will, worum es geht, wie es weitergeht und wie der Autor es doch noch geschafft hat, muß das Buch kaufen. Und wer nicht ewig abwarten will, bis es zu kaufen ist, muß was schreiben.

Julian / Braunschweig


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Das "Wunschzettelverfahren"

Im Winter 2004/05 begann die Gruppe "intakt" in Peine, dieses Verfahren zur Selbstmotivation anzuwenden. Angeregt wurde es durch eine Sozialarbeiterin, die mehrere Wochen lang die Gruppe begleitete.

Es funktioniert etwa wie die guten Vorsätze an Silvester, nur wird mehr für die Verwirklichung getan:
Jedes teilnehmende Mitglied füllt eine Karte aus, wie sie rechts abgebildet ist. Ausgangspunkt ist der eigene Wunsch, das Leben zu verbessern; zu ihm denkt man sich konkrete Ziele aus, mit denen er erreicht werden kann. Nun kommt noch ein Zeitpunkt dazu, bis wann man welches Ziel erfüllt haben will.
Die Karten werden eingesammelt, aus ihnen wird eine Tabelle erstellt, kopiert und an alle Teilnehmer verteilt. Nun können alle sehen, wer bis wann was erreicht haben möchte. Sobald ein Datum gekommen ist, das in der Tabelle steht, können alle Teilnehmer überprüfen, ob man seine Vorsätze verwirklicht hat. Wenn ja, erzählt man von seinen Erfahrungen dabei. Wenn nein, kann man in der Gruppe darüber diskutieren, warum es nicht geklappt hat, welche Probleme aufgetaucht sind und wie man diese bewältigen kann.

Nach Auskunft der Gruppe wurden fast alle Vorsätze eingehalten. Auch das Gruppenleben wurde durch diese Aktionen bereichert - man denke an den Spieleabend und das Frühstück auf der Beispielkarte, die inzwischen etabliert sind.
Ein Teilnehmer relativierte seine Erfolge: "Ich konnte meine Ziele erreichen, aber war eh schon auf dem Weg".
Die Gruppe berichtet auch von einer Teilnehmerin, bei der es anders war. Sie war bis dahin eher zurückgezogen und hatte auf ihre Karte geschrieben, "ich möchte mich mehr am Gruppenleben beteiligen". Bei einem der nächsten Treffen konnte man ihr die Mühe mit dem Ziel ansehen - mit einiger Anstrengung, aber mit Erfolg, brachte sie sich in die Gespräche ein.

Mir kamen bei der Vorstellung dieses Verfahrens Fragen, ob es selbst auch Ängste und Veremeidungsverhalten auslöst. Ein Gruppenmitglied, das nicht teilnahm, war tatsächlich froh, dass es an dem Abend nicht dabei war und deshalb keine Karte ausfüllen konnte. Die Frage, ob Teilnehmer ihre Ziele absichtlich zu klein gesetzt haben, um dem Verwirklichungsdruck auszuweichen, wurde von der Gruppe so beantwortet: Die Ziele sollen erreichbar sein, daher können sie auch kleiner sein. Es geht darum, sich ein Erfolgserlebnis zu verschaffen, dafür sollte das Ziel geeignet sein.
Hier wird wie bei jedem Therapieverfahren deutlich, wie wichtig der eigene Wunsch zur Veränderung ist.

Insgesamt wird das Verfahren von der Gruppe jedoch positiv bewertet. "Ein gewisser Druck ist schon gut." Ich denke, es liegt auch daran, dass der Druck hier nicht von oben, sondern von gleichberechtigten Gruppenpartnern (und sich selbst!) ausgeht; von Leuten, die ebenfalls einen Vorsatz haben und die den selben Druck kennen.

Julian / Braunschweig


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