Selbsthilfe bei Schüchternheit und sozialer Phobie

 

Rundbrief April 2014

Titelseite

Inhalt:
   - Von "Aromablüten" bis "Zink-Therapie"
   - 600 EUR Projekt-Fördergeld
   - Schulweisheit zwischen Himmel und Erde
   - Schüchternheit und Liebe
   - "Ein rosa A ist komisch!" - Synästhesie
   - Filme, die die Welt erklären, Teil 2: Nur ein schneller Schwung
   - Julians Verleser

Rundbrief als PDF


Zurück zur Rundbrief-Übersicht


ZITAT

"Liebe wird aus Mut gemacht"

Nena, "Irgendwie Irgendwo Irgendwann"



Einen Artikel vorNach oben

Von "Aromablüten" bis "Zink-Therapie"
Selbsthilfegruppen als Kundenstamm für alternative Heilweisen

ZUSAMMENFASSUNG
   - Freie Heilberufe erkennen Selbsthilfe als Kundenpotenzial.
   - Unabhängigkeit der Gruppen gefährdet.
   - Mitglieder sollten mit Bedacht abwägen.


von Dennis Riehle, Selbsthilfegruppenleiter Konstanz

In Zeiten einer weltweiten Vernetzung von Adressen, Dienstleistungen und mehr oder weniger dubiosen Geschäftsanbietern, die es sich zum Ziel gesetzt haben, jedem Gewerbe durch die Vermittlung passender Werbeschaltungen, Kontakte und Multiplikatoren beim Aufbau potenzieller Kundenstämme behilflich zu sein, boomt auch der Austausch von zugänglichen Daten der niederschwelligsten Patientenvertretungen - der Selbsthilfegruppen.

Eigentlich im Sinne einer schnellen Auffindbarkeit und Erreichbarkeit veröffentlichte Kurzbeschreibungen, Telefonnummern, Post- und Mailadressen der unterschiedlichsten Gruppen im ganzen Land werden kurzerhand zu wertvollen Sammlerobjekten. Denn die Informationen haben es in sich - stellen sie doch den Schlüssel für den Zugang zu der Klientel dar, die oftmals in großer Not und Ausweglosigkeit auf jeden Strohhalm anspringt, der bei chronischen oder seltenen Erkrankungen helfen könnte.

Das Bedürfnis nach alternativen Heilweisen, aber auch nach Angeboten der Prävention und Gesundheitsförderung, die die Krankenkassen nicht, nicht mehr oder nicht ausreichend in ihrem Leistungskatalog bereit halten, ist bei denen besonders groß, die im Dschungel der Schulmedizin an die Grenzen des konservativ Machbaren gestoßen sind. Diese Entwicklung hat seit Jahren auch die Branche des Berufsstammes entdeckt, die sich kaum noch zwischen seriösen und allein selbstgerechten Interessen unterscheiden lässt. Da tummeln sich zwischen fachlich hoch angesehenen Heilpraktikern auch Wochenend-Therapeuten und Feierabend-Esoteriker, die ihre neuesten Methoden gern unter die Menschheit bringen - oftmals wahrscheinlich einfach nur verkaufen - wollen.

Sicher wird man mit Pauschalurteilen nie der Wahrheit gerecht; und doch lehrt mich die Erfahrung nach rund einem Jahrzehnt Selbsthilfegruppenleitertätigkeit, dass hinter den wöchentlich in meinem Briefkasten, auf dem Anrufbeantworter oder im elektronischen Postfach eintrudelnden Flyern nicht nur der Drang nach Mitmenschlichkeit, sondern gleichermaßen nach Geschäftsgebaren steckt. Verdenken mag man es den "Aroma"- und "Bachblütentherapeuten", den Kirschkernkissen-Vertretern und Phytotherapeuten, den "Yoga"-Lehrern und Zinksubstitutionisten nicht - denn auch sie wollen ihren Lebensunterhalt bestreiten und haben sicherlich in vielen Fällen auch gutgläubige Absichten.
Und vielleicht würden wir es selbst auch nicht anders machen, wenn eine vernetzte Bewegung wie die der Selbsthilfe mittlerweile nicht ganz unschuldig ist und sich gegen die Verbreitung ihrer eigenen Offenherzigkeit in sozialen Netzwerken, bei Auskunftszentralen oder Adresslisten durch schulterzuckendes und anscheinend hilfloses Zusehen nicht zu wehren in der Lage ist. Selbsthilfegruppenleiter, die in ihrer Art nicht selten als die aufopfernden und schlecht "Nein" sagen könnenden Wohltäter der Gesellschaft gesehen werden, sind überdies eine leicht zu ergatternde Beute für allerlei Zusatzangebote zwischen wahrhaftiger und ernst zu nehmender Therapie und Hokuspokus. In vielen Ausbildungen erlernen die künftig meist selbstständig oder als freie Mitarbeiter von größeren Institutionen auftretenden Vertreter eines wachsenden Zweiges der ergänzenden Gesundheitsprävention und des kurativen Heilens die Beharrlichkeit als ein wesentliches Ziel für ihren Erfolg.

"Der hat mich so lange bequatscht, bis ich ihn dann eben doch in unsere Gruppe eingeladen habe", berichtete mir vor kurzem wieder ein Kollege, der mit Briefen und Mails durch einen Homöopathen bombardiert wurde. Er habe eine ganz neue, exklusive und von ihm persönlich entwickelte Strategie zur Bewältigung der Depression entdeckt und vermarktete diesen Umstand offenbar derart nachhaltig und nervend, gleichzeitig aber wohl weniger überzeugend und interessierend, wonach der Besuch in der SHG nur noch eine Frage der Zeit war. Für den Leiter schlussendlich stets eine heikle Situation: Welche Verantwortung trägt er, Gruppenmitglieder vor solchen Angeboten zu schützen? Welche versteckten Erwartungen kündigen sich mit solch einer eingeleiteten Zusammenarbeit an, als die viele therapeutisch und heilerisch Tätigen den ersten Schritt in das Netz der Selbsthilfe ansehen?

Die nicht selten bestehende Ausweglosigkeit der betroffenen Gruppenbesucher lässt sie immer wieder auch verblendet auf Verheißungen eingehen, die in einer Abhängigkeit enden können, welche nicht nur für den Einzelnen, sondern für die gesamte SHG zum Problem werden kann. Erlebt habe ich ein solches Phänomen bei einer befreundeten Gruppe, die einem Ernährungsberater und seinen Pülverchen und Säften großes Vertrauen schenkte. Rasch schlich sich der selbstverständliche und regelmäßige Besuch mit der Präsentation der neuesten Produkte ein. Nicht nur, dass sich die Selbsthilfegruppe schlussendlich der Frage ausgesetzt sehen musste, ob sie damit nicht gegen ein Gleichheitsgebot verstößt, das andere Diätassistenten benachteiligt. Die Gruppenstunden entwickelten sich nahezu zu einem Verkaufsabend, der nicht nur die Zuerkennung von öffentlichen Fördergeldern, sondern auch die Glaubwürdigkeit der SHG als autonome und profunde Anlaufstelle für Hilfesuchende in Frage stellte.

Doch ist schlussendlich all das zu verurteilen, was uns an unterschiedlichen Therapie- und Behandlungsverfahren nähergebracht werden soll? Als Selbsthilfegruppe verfolgen wir eine weltanschauliche Offenheit - und sind deshalb auch zu Recht angehalten, in unseren Reihen eine breite Vielfalt an Information überverschiedenste Wege zu mehr Wohlbefinden zuzulassen. Daher ist es für mich eine entsprechende Selbstverständlichkeit, gemeinsam mit den Mitgliedern in meiner Gruppe demokratisch über jede Anfrage abzuwägen. Was wollen die Teilnehmer tatsächlich wissen und wen oder was genauer kennenlernen? Trotz vieler Nöte vertraue ich auf die Objektivität meiner Mitstreiter in der SHG, die durchaus entscheiden und durchblicken können, ob hinter dem Wunsch nach einem Besuch oder einer Kooperation mit uns eher der selbstlose Wille zum Helfen oder aber doch die Hoffnung auf einen neuen Absatzmarkt für das Wohl des eigenen Ansehens und Geldbeutels steckt.

Dennis Riehle - Selbsthilfegruppenleiter und Sprecherrat im Selbsthilfenetzwerk KOMMIT
Martin-Schleyer-Str. 27 - 78465 Konstanz,
Mail: selbsthilfearbeit[ä}riehle-dennis.de


Einen Artikel vorNach obenEinen Artikel zurück

600 EUR Projekt-Fördergeld

Der intakt e.V. hat von den niedersächsischen Krankenkassen je zweimal 300 EUR erhalten, als Projektförderung für die Aktion "Plakatwerbung". Damit kann diese Aktion - für die das Preisausschreiben 2013 das Motiv lieferte - in Kürze starten.


Einen Artikel vorNach obenEinen Artikel zurück

Schulweisheit zwischen Himmel und Erde

ZUSAMMENFASSUNG
   - Eine Werbekampagne brachte das Beispiel der Hummel, die angeblich nicht fliegen kann.
   - Pyhiskalisch gesehen kann die Hummel doch fliegen.
   - Warum ist diese Tatsache nicht bekannt?


Vor kurzem war auf Straßenplakaten ein echter Hingucker aufgehängt: große Plakate mit einem Bild von einer Hummel im Hubschrauber - und diesem Spruch: "Aus Sicht der Physiker kann die Hummel unmöglich fliegen. Der Hummel ist das egal." Es handelte sich, so kam später heraus, um die Werbekampagne einer Autofirma, die damit in neuem Licht gesehen werden wollte. Verständlich nach all den Schlagzeilen um Staatshilfen und Entlassungen. Auch ich habe durch die Werbung etwas dazugelernt, was ich eigentlich vorher hätte wissen können: Die Firma verkauft auch Autos, deren Namen nicht mit A enden.
Der Spruch mit der Hummel ist sehr sehr bekannt - ein Klassiker im Motivationstraining, um nicht an die vielen Schlechtmacher zu glauben. Wir Schüchternen kennen das Problem sehr gut - auch uns wurden und werden viele Fähigkeiten abgesprochen, die wir doch haben. Und wir haben diesen Schrott zu oft geglaubt.

Ich als jemand, der Physik als Abitur-Prüfungsfach gewählt hatte (→1), konnte aber "die Physiker" nicht so einfach als unwissend abtun. Ich zweifelte daran, ob der Satz die wissenschaftliche Wahrheit wiedergab. Aerodynamik sollte gut erforscht sein.
Und tatsächlich: Schnell fand ich eine physikalische Erklärung. Zwar sind Hummelflügel tatsächlich sehr klein im Verhältnis zum Hummelgewicht; an ihnen entstehen jedoch Luftwirbel, die per Unterdruck den Auftrieb verstärken. "Die Aerodynamiker hatten nämlich eines übersehen: anders als bei Flugzeugen sind die Flügel von Insekten nicht starr sondern schlagen durch die Luft! Dadurch erzeugen sie ihren Auftrieb auf ganz andere Weise als unsere Flugzeuge." (→2)
Man muß die Hummel vielmehr mit dem Hubschrauber vergleichen. Auch dessen Rotor-"Flügel" wären ohne Bewegung zu klein zum Fliegen. Trotzdem habe ich nie gehört, "die Physiker" würdem dem Hubschrauber die Flugfähigkeit absprechen.

Zugegeben: Als in den 30er-Jahren die Hummelflügel vermessen wurden, war der Hubschrauber gerade mal ein Geistesblitz einiger "verrückter" Erfinder. Es "sollen die aerodynamischen Gesetze zum Zeitpunkt der Ent-stehung der Anekdote noch nicht so weit gewesen sein". (→3) "Aber - man glaubt es kaum: Erst 1996 - also mehr als 60 Jahre nachdem der Hummelflug als unmöglich berechnet wurde - gelang dem britischen Forscher C.P. Ellington der hieb- und stichfeste Beweis, dass die Hummel doch fliegen kann. Hallo? 60 Jahre, in denen nur die Hummel wusste, dass sie fliegen kann?" (→4) Es ist in der Tat erstaunlich, daß für diese Erkenntnis 60 Jahre gebraucht wurden - davon mehrere Jahrzehnte, in denen auch der Hubschrauber bekannt war.
Und das Staunen geht noch weiter - denn inzwischen haben wir schon 2014. Hallo? 18 Jahre, in denen jedeR die neuen Erkenntnisse zum Hummelflug im Internet finden konnte? Mit wenigen Stichworten bei Google oder Wikipedia? Wer hat da versäumt, das eigene Halbwissen einzugestehen und dazuzulernen? Nicht nur die Autofirma und deren Werbeagentur!

Es ist klar: Der Spruch über die Hummel ist einfach zu schön. Mit seinen Bestandteilen lähmt er den kritischen Verstand sofort: Humor, Überraschung durch die Pointe, Kritik an "allwissendem" Expertentum - und vor allem das Vertrauen in die Fähigkeiten der einfachen Hummeln. Und der einfachen Menschen.
Alles wichtige Punkte - aber Rücksicht auf die Tatsachen ist ebenso wichtig. Daher möchte ich für die nächste Werbekampagne, ob gegen Motivationskiller oder Vorurteile, diesen Spruch vorschlagen:
"Aus Sicht vieler Menschen kann die Physik unmöglich den Hummelflug erklären. Den Physikern ist das egal."
Also egal, ob Hummel, Physiker oder Schüchterne: Laßt euch nicht schlechtreden.

Julian / Braunschweig

P.S.:
Wer jetzt glaubt, ich würde mich bloß über einen Fehler in einer Werbekampagne beklagen wollen, liegt falsch. Dieser Fehler ist nur ein Beispiel von vielen. Es geht mir ums Zweifeln an scheinbaren Wahrheiten, das unabhängige Denken - auch und gerade bei Dingen, die selbstverständlich zu sein scheinen.


↑1 Schöne Formulierung, um die Wahrheit zu frisieren: Ich habe Physik zwar tatsächlich als Abitur-Prüfungsfach gewählt. Eine Abiturprüfung in Physik habe ich jedoch nie gemacht, sondern das letzte Schuljahr wegen Prüfungsangst abgebrochen.

↑2 http://www.bombus.de/warum-hummeln-fliegen.aspx

↑3 http://aktion-hummelschutz.de/biologie-hummeln/hummeln-konnen-nicht-fliegen/

↑4 http://www.daserste.de/information/wissen-kultur/wissen-vor-acht-natur/sendung-natur/warum-die-hummel-fliegen-kann100.html




Einen Artikel vorNach obenEinen Artikel zurück

Schüchternheit und Liebe

ZUSAMMENFASSUNG
   - Gedanken zur Partnersuche bei Schüchternen
   - Songtext der 80er zum (wieder) entdecken
   - Ratschläge anderer und die Auswirkungen


Die Frühlingssonne schimmert durch die Bäume und ich genieße diese wunderbare Aufbruchstimmung. Alle Leute sind irgendwie gut drauf. Frühlingsgefühle. Du bist in meinen Gedanken... Dein Lächeln... Deine Augen... mein Herz macht einen fröhlichen Hüpfer. Aber das war es sozusagen schon. Du bist in meinen Gedanken... Du bleibst in meinen Gedanken... einfach weil ich schüchtern bin.

Für die meisten Menschen ist Partnersuche gar kein Problem "geh doch mal raus" "geh unter Menschen, dann geht das schon fast ganz von allein".

There's a club, if you'd like to go
You could meet somebody who really loves you
So you go, and you stand on your own
And you leave on your own
And you go home
And you cry
And you want to die

Da ist ein Club, in den du gehen willst,
du könntest dort jemanden treffen der dich wirklich liebt,
also gehst du - und du stehst alleine herum,
du gehst wieder alleine raus,
und du gehst nach Hause, und du weinst
und du möchtest sterben.


Oder noch besser "hey, geh doch mal ins Internet". Das verschiebt das Problem ja nur. Denn irgendwann müsste man oder würde man diese Person ja treffen wollen/müssen und dann wäre alles wieder auf Anfang. Allein die Vorstellung an irgendeiner Ecke auf jemanden zu warten, am besten noch mit der klischeehaften Rose am Knopfloch... verursacht Übelkeit und Panik.
Nach wie vor ist es mir ein Rätsel wie sich anderen Menschen finden... mir ist es genauso ein Rätsel wie mir das schon geglückt ist... bei näherem darüber nachdenken würde ich sagen, die Initiative ging eindeutig von der anderen Seite aus.

You shut your mouth
How can you say
I go about things the wrong way
I am Human and I need to be loved
Just like everybody else does

Halt doch den Mund!
Wie kannst du sagen
ich geh die Dinge falsch an?
Ich bin ein Mensch und ich brauche es geliebt zu werden,
genau wie es jeder andere tut.


Der Rat, einfach seinen Mut zusammen zu nehmen, ist ja ganz schön, bewirkt aber in einem schüchternen Leben nicht allzu viel. Das wirkt ja auch in anderen Bereichen nicht besonders. Oder "von einer Abfuhr stirbt man nicht". Sterben nicht gleich, wirklich nicht. Aber es verstärkt die ohnehin vorhandene Angst. Mit dem Resultat, dass man noch mal länger braucht bis man überhaupt wieder was versucht.

When you say it's gonna happen now,
When exactly do you mean?
See I've already waited too long
And all my hope is gone

Wenn du sagst, "jetzt" wird es klappen
nun, wann meinst du denn genau?
Schau, ich hab schon zu lang gewartet
und all meine Hoffnung ist dahin.


"Guck den Leuten doch einfach mal in die Augen"... den Rat finde ich wirklich gut. Aber ich bin im Besitz des seit Jahren kultivierten Reflexes die Augen schüchtern niederzuschlagen wenn es denn nur so scheint als käme Augenkontakt zustande.

Mir fehlt auch ein wenig die Begeisterung für den "Zauber des Anfangs". Zeit mit jemandem Fremden zu verbringen, den man aber irgendwie toll findet und für sich begeistern möchte. Aber man ist so wenig man selbst und zwischendrin fragt man sich sogar ob es nicht allein doch schöner war...

Kommen wir Schüchternen denn überhaupt irgendwie unter die Haube? Und wie geht man als Partner damit um? Zuviel Kritik und Zwang sind auch nicht gut, oder jemand der einem alles abnimmt...für einen an der Theke bestellt, Fahrplanauskünfte einholt etc. tut einem auch keinen Gefallen, da sich die Schüchternheit dadurch noch verstärkt. Und noch besser: man beginnt sich einzubilden es wäre nicht mehr so schlimm, weil jemand anderer für einen die Hürden des Alltags nimmt.

Noch "schlimmer" allerdings ist es wohl, wenn beide mögliche Partner schüchtern sind. Man mag sich und keiner sagt es dem anderen, so dass man auf ewig zum allein sein verdammt ist.

Es ist wohl wie bei den "Normalos" es gehört auch einfach Glück dazu. Vielleicht etwas mehr Glück. Und das wünsche ich euch allen. So ein paar Frühlingsgefühle und vielleicht auch ein paar besondere Frühlingsgefühle mehr.

(Songtext: The Smiths - How soon ist now)

Gaby


Einen Artikel vorNach obenEinen Artikel zurück

"Ein rosa A ist komisch!"

ZUSAMMENFASSUNG
   - Kurze Vorstellung der Persönlichkeitseigenschaft "Synästhesie"
   - Dieses Phänomen ist neurobiologisch erklärbar.
   - Es hinterfragt "unsere" Vorstellungen von "Normalität".


Das Phänomen "Synästhesie" möchte ich sehr kurz vorstellen. Ich selbst habe es nicht (→1), so daß dieser Text für mich eher wie ein Referat im Studium wirkt. Es ist jedenfalls so interessant, daß ich trotzdem darüber schreiben möchte. Außerdem bringt es neue Ideen, nicht nur die eigene Persönlichkeit zu betrachten, sondern auch andere. Vielleicht haben die ja Ideen, die auch uns helfen können.
Ich beziehe mich vor allem auf das Buch "Jeder blaue Buchstabe duftet nach Zimt" von Patricia Duffy, die selbst Synästhetikerin ist und die "American Synaesthesia Association" mitgegründet hat.

Was genau ist Synästhesie?

Das Phänomen ist populärwissenschaftlich als "Farbenhören" bekannt. Zwei oder mehr Sinne treten zusammen auf, mit dem einen auch der andere gereizt werden kann. Der Buchtitel ist ein Beispiel, er bezieht sich auf das Empfinden, Buchstaben (oder/und Zahlen, Wochentage, Monate) wären farbig. Es können aber auch andere, alle möglichen Sinne verbunden sein, in verschiedensten Kombinationen und Stärken. Beispiel aus dem Buch: eine Fotografin, die mögliche Motive ihrer Fotos "hört" und nach diesem akustischen Eindruck entscheidet, ob/wann sie den Auslösknopf drückt.
Da sich die Synästhesien (z.B. die Farben der Buchstaben) lebenslang nicht ändern (→2), muß das Phänomen neurobiologische Gründe haben. Vermutet wird ein Gen auf dem X-Chromosom, das die "Gehirnvernetzung" beeinflußt. Eben wie die Hirnegionen für verschiedene Sinne über Synapsen verbunden sind. Neugeborene scheinen viele synästhethische Wahrnehmungen zu haben; diese verschwinden aber, sobald das Gehirn lernt, Sinnesreize getrennt zu verarbeiten. Bei manchen Menschen (laut Duffy 1 von 2000, davon 85% Frauen (→3)) bleibt eine Synästhesie jedoch bestehen.
Eine andere Theorie besagt, daß sie im Gehirn der meisten Menschen ebenfalls vorkommt, aber nur unbewußt. Auf jeden Fall ist Synästhesie - neurobiologisch gesehen - ein ganz normales natürliches Phänomen.

Wo liegen die Nachteile und Vorteile?

Die beiden Sinneseindrücke können so sehr verbunden sein, daß Wahrnehmungsprobleme auftreten, wenn sie in der Außenwelt in anderen Kombinationen auftreten. Das ist z.B. bei Nahverkehrs-Fahrplänen, auf denen den Liniennummern verschiedene Farben zugeordnet werden. Duffy ist (in der U-Bahn von Prag) deshalb in die verkehrte Linie eingestiegen und brauchte einige Zeit, um es zu bemerken.
Andererseits lassen sie sich als Gedächtnisbrücke einsetzen, z.B. daß man sich eine Telefonnummer besser merken kann, wenn man sich auch an ihre Farbe erinnert. Patricia Duffy berichtet, daß ihre Buchstaben-Farb-Synästhesie ihr geholfen hat, chinesische Schriftzeichen zu lernen, auch diese über Farben im Gedächtnis zu behalten.
Ob/inwieweit Synästhesie dazu führt, sie künstlerisch zu nutzen, ist umstritten. Das Buch ist zwar voll mit Beispielen für synästhetische Künstler, einen allgemeinen Zusammenhang bestätigt es jedoch nicht.

Was hat das mit Sozialphobie zu tun?

Eigentlich nichts, aber manche Folgeeffekte können auch bei Sozialphobie vorkommen:

1. Eine Überraschung ist für viele Synästhetiker der Moment, an dem sie bemerken, daß andere Menschen keine Synästhesie haben. Bis dahin wird sie oft als "selbstverständlich" empfunden, eben so, als ob andere die selben Wahrnehmungen hätten (→4). Dann ist die Frage: Wie offen soll ich darüber reden? Verschweigen, anderen stolz präsentieren, erwarten, daß andere es für normal halten?
2. Synästhesie zeigt, daß Wahrnehmung nicht objektiv ist. Mozart in grün und Metallica in Blau sind nicht "falsch", sondern eben individuell.
3. Persönlichkeitseigenschaften können auch fest im Gehirn verankert sein, dann ist die Herausforderung, sie anzunehmen und produktiv ins Leben zu integrieren. Kann es sein, daß auch Schüchternheit/SP in manchen Fällen durch die Gehirnvernetzung bedingt ist?

Auf alle Fälle ist Synästhesie ein Hinweis, daß auch ungewöhnliche Persönlichkeitseigenschaften ganz normal und sympathisch sein können. Also: Nutzt eure.

Julian / Braunschweig

Patricia Duffy:
"Jeder blaue Buchstabe duftet nach Zimt"
Goldmann Verlag, 2003
ISBN 3-442-15242-9, 9,90 EUR


P.S.:
Wer findet ein rosa A komisch? Patricia Duffy selbst. Sie denkt eben das, "wenn jemand sagt, der Buchstabe A sei rosa" - denn "er ist ganz eindeutig orange."


↑1 Oder ich weiß nicht, daß ich es habe. Zumindest hätte ich es gern.

↑2 Dies nennt man "konstitutionelle Synästhesie" in Abgrenzug zu synästhetischen Halluzinationen nach Drogenkonsum und zu synästhetischen Metaphern in der Kunst (z.B. "schreiende Farben").

↑3 Diese Zahlen werden in neueren Quellen (Synniversum, Wikipedia) angezweifelt, Zahlen bis zu 1 von 10 und Männer-Frauen-Verhältnis 1:1 genannt. Fest steht auf jeden Fall, daß eine hohe Dunkelziffer besteht, weil man das Phänomen den Mitmenschen nicht ansehen kann.

↑4 Vielleicht erklärt das eine Dunkelziffer?




Einen Artikel vorNach obenEinen Artikel zurück

Filme, die die Welt erklären
Teil 2: Nur ein schneller Schwung

Die heutige Szene ist aus "Ritter aus Leidenschaft". Dort geht es um einen Knappen, der mit einer "geerbten" Rüstung (sein "Chef" ist plötzlich gestorben) sich selbst zum Ritter ernennt. Nach einigen Turnieren läßt er sich von einer - Achtung Filmklischee - attraktiven Schmiedin eine neue Rüstung herstellen. Aus extrahartem Stahl, daher sehr leicht, und - es ist ja ein Witzfilm - mit dem Logo einer modernen Sportbekleidungsfirma. Der Crashtest mit einem Baumstamm verläuft zufriedenstellend.
Damit betritt er kurz danach den Turnierplatz, wo die anderen Ritter sich vobereiten. Sie mühen sich ab, in ihren schweren Rüstungen auf die Pferde zu kommen. Als sie unseren Helden sehen, brechen sie kollektiv in Gelächter aus: Mit so wenig Blech traut der sich ins Turnier?! Hahaha!

Doch plötzlich verstummt jedes Lachen, die Ritter kriegen vor Erstaunen den Mund nicht mehr zu und stehen reichlich blöd da. Was ist geschehen? Unser Ritter machte einen schnellen Schwung und saß plötzlich ohne fremde Hilfe auf seinem Pferd.

Was lernen wir daraus?
Zum Eindruckmachen hat man viele Möglichkeiten. Such die, die am besten zu dir paßt und mit den vorhandenen Mitteln machbar ist.

Julian / Braunschweig


Einen Artikel vorNach obenEinen Artikel zurück

...

Im Text über Synästhesie habe ich eine Möglichkeit vorgestellt, die Welt wahrzunehmen - dann kann ich auch mit meiner eigenen in die Öffentlichkeit gehen.
Die folgenden Verleser sind mir seit 2003 unterlaufen. In der linken Zeile steht, was wirklich dastand, in der mittleren, was ich im Geist sekundenschnell draus gemacht habe. Manche sind einfach nur lustig, aber manche lassen doch die Schizophrenien der modernen Welt so ungewollt wie überdeutlich aufstrahlen.

der langjährige Schuldirektor

der langhaarige Schuldirektor

Diätpfanne chinesisch

Diätpfanne chemisch

Europaparlament

Euro-Papa lahmend

Früchteflakes

Früchtefakes

Global Player

Mogelplayer

Großraumbüro

Großrambo

Kleine Knabbereien (Speisekarten-Überschrift)

Kleine Kakerlaken

Kondome sind der beste Schutz vor HIV

Kondome sind der beste Schutz vor Hartz IV

Liebe Leser

Liebe Loser

Psychotherapieambulanz

Psychotherapiespielplatz

Rednerliste

Rinderliste

Sammeln, sparen, strahlen (Werbung im Supermarkt)  

Sammeln, sparen, stehlen

Spargel

Spar-Gel


Julian


Nach obenEinen Artikel zurückZurück zur Rundbrief-Übersicht



Diese Seite wurde automatisch erstellt mit JULIAN'S MACHSEIT Perlscript
zuletzt am 16.07.2023 um 12 Uhr 26