Selbsthilfe bei Schüchternheit und sozialer Phobie

 

Rundbrief Oktober 2017

Titelseite

Inhalt:
   - intakt e.V. bietet Mail-Beratung
   - Vortrag in Wolfsburg
   - Preisausschreiben, Platz 1
   - Gewaltfrei erfolgreich
   - Hochzeit aus Sicht eines Schüchternen
   - Was würde ICH da bloß antworten, Teil 5

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ZITAT

"There is no such thing as a failed experiment, only experiments with unexpected outcomes."
("Man hat keine gescheiterten Experimente, nur Experimente mit unerwartetem Ergebnis.")

R. Buckminster Fuller, amerikanischer Erfinder



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intakt e.V. bietet Mail-Beratung bei Sozialer Phobie

Für Schüchterne ist es besonders schwer, sich anderen Menschen zu offenbaren. Der intakt e.V. als Verein für Selbsthilfe bei Sozialer Phobie hat es sich deshalb zur Aufgabe gemacht, eine erste Anlaufstelle zu bieten, die niederschwellig erreichbar ist: eine Mail-Beratung. Über die Adresse

beratung-schuechterne(ä)web.de

können alle, die vermuten, unter sozialen Ängsten zu leiden, Kontakt zum Verein aufnehmen, um sich dort eine erste Information einzuholen, wie sich Schüchternheit von Sozialer Phobie unterscheidet, welche therapeutischen Hilfsangebote es gibt, ob eine Selbsthilfegruppe in Frage kommt, wie man diese findet und wie der Einstieg in eine solche erleichtert wird.

Unter der Mail-Beratung geben Betroffene Auskunft, die bereits Erfahrungen mit dem Krankheitsbild gesammelt haben und die einen Überblick über die Verteilung von Selbsthilfegruppen in Deutschland besitzen. Zudem können sie empathisch auf Fragen eingehen, die sich Menschen mit Sozialer Phobie stellen, beispielsweise, wie Kontakte zu Familie, Angehörigen und Freunden aufrecht gehalten oder wieder aufgebaut werden können, wie mit der Einschränkung im Alltag, im Beruf, Schule, Studium oder Ausbildung umgegangen werden kann oder welche Selbsthilfemaßnahmen effektiv sein könnten, um wieder neues Vertrauen in sich und die Umwelt zu gewinnen.

Das Angebot ist ehrenamtlich und damit kostenlos. Anonymität ist möglich, Vertraulichkeit wird gewährleistet. Die Mail-Beratung hilft bei der Vermittlung an Selbsthilfeangebote oder Psychotherapeuten vor Ort, stellt Kontakt zu anderen Betroffenen her, hört zu und gibt Auskunft, kann ein professionelles Gespräch aber nicht ersetzen. Viel eher ist sie gedacht als Brücke aus sozialer Isolation heraus, die verständnisvoll auf Fragen und Nöte eingeht - und letztendlich ermutigt, Unterstützung in Anspruch zu nehmen. Sie kann zudem mit den eigenen Informationsmaterialien des Vereins Wegweisungen an die Hand geben, die Tipps für den täglichen Bedarf bereit halten und auf spezifische Problemstellungen bei Sozialer Phobie Antwort geben.

Hintergrund
Unter Sozialer Phobie ist die Furcht vor dem Kontakt mit Mitmenschen zu verstehen, die Angst vor der Öffentlichkeit, vor Kommunikation und Interaktion haben, beispielsweise auch, im Mittelpunkt zu stehen, unter der Aufmerksamkeit von Anderen, häufig mit Errötung, Scham, Zittern, Stottern oder Panik-Symptomen in entsprechenden Situationen verbunden, so auf Feiern, beim Halten eines Vortrages, beim Gang durch die Fußgängerzone, aber auch in der generellen Findung von zwischenmenschlichen Beziehungen. Selbstvertrauen und Selbstwertgefühl sind meist reduziert, Betroffene fühlen sich nicht selten unter Beobachtung und fürchten, eingeschätzt und eingeordnet zu werden. Verhaltenstherapeutische Maßnahmen können helfen, die Selbst-einschätzung positiver zu gestalten, Kontakt zu üben oder den Blick auf die Außenwelt zu relativieren. In Deutschland sind rund zwei Millionen Menschen von Sozialer Phobie betroffen.


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Vortrag in Wolfsburg

ZUSAMMENFASSUNG
   - intakt-Vortrag vor 25 Personen
   - Ich wurde als "externer Experte" eingeladen
   - Die Redefähigkeit steigt mit der Erfahrung


Der Vortrag gehörte in die Vortragsreihe "Trialog" der Wolfsburger "Trau Dich - Anti-Stigma-Gruppe". Trialog bedeutet im psychosozialen Bereich die Kommunikation zwischen Betroffenen, Helfenden und Angehörigen. Die Gruppe ist ein Angebot für psychisch Erkrankte, Angehörige und Interessierte. Über die Kontaktstelle der Diakonie, wo sie sich auch trifft, hat sie Werbemöglichkeiten, die der intakt e.V. auch gern hätte. Ich habe die Ankündigung meines Vortrags schon Wochen vorher auf dem Flugblatt der Gruppe gefunden. Durch die effektive Werbung bestand mein Publikum aus etwa 25 Menschen, z.T. von Institutionen wie dem Betreuungsverein.
intakt-Infoblätter waren von der Kontaktstelle kopiert und bereits ausgelegt worden.

Der Kontakt zur Trau-Dich-Gruppe war ein halbes Jahr vorher bei einem Stadttreffen der Selbsthilfe-gruppen entstanden. Da "Anti-Stigma" mich an mein Thema "Neue Ideen gegen rechts" erinnerte, stellte ich den intakt e.V. spontan vor.
Mir wurde das Thema "Ängste abbauen" gegeben. Nach Absprache reichte es, meinen Youtube-Vortrag (→1) etwas umzugestalten. Weniger Gruppenprobleme, mehr Selbstbewußtsein.

Nach einer Anmoderation durch Frau Lübke von der Kontaktstelle konnte ich beginnen. Wie üblich vorsichtig, aber ich bin nun mal "selbst so einer. Ich bin froh, daß Dieter Bohlen nicht im Publikum sitzt." Doch schneller als bei bisherigen Vorträgen merkte ich, daß ich aus der Anfangsphase ins flüssige Reden übergehen konnte.
Die Folie "Nachteile der Angst" bot im Wahlkampf Möglichkeiten, zu denen ich erst fragen mußte: "Ist das hier parteipolitisch neutral?" - "Ja." Ich habe dann darauf verzichtet, die schlechten Folgen der Angst am Aufstieg der AfD zu erklären.
Die Erkenntnisse aus berühmten Versuchen wie dem "Pawlowschen Hund" konnte ich aber aus dem Gedächtnis bringen und streute auch Anekdoten wie die "Ameisen-Polonaise" (→2) ein.
Natürlich endete ich - nach 50 Minuten - mit einer Ermutigung und bekam großer Applaus.

Nach beim Vortrag war eine Diskussionsrunde angesetzt. Die Möglichkeit, Fragen zu stellen, wurde jedoch nur von 5-6 der Anwesenden genutzt. Zum Thema Psychopharmaka konnte ich nichts sagen und das auch offen zugeben. Diese Lücke wurde aber durch Klinikberichte einer Frau in der ersten Reihe kompetent gefüllt.
Ich wollte eigentlich noch zum Abschluß ein Video zeigen, das zwischen den Themen "Selbstbewußt-sein" und "Anti-Stigma" unterhaltsam eine Brücke schlägt. Aber durch einen technischen Fehler war es leider nicht möglich. So endete die Veranstaltung nach 90 Minuten mit einem üblichen Abschied.

Beim nächsten Treffen der Wolfsburger Schüch-ternengruppe war eine Zuhörerin des Vortrags dabei. Im Oktober sind mehrere Infoabende geplant, dort kann ich ähnliche Vorträge halten.

Julian / Braunschweig

↑1 dort suchen nach "Schüchterne Hildesheim"

↑2 siehe Rundbrief 4/17, Seite 5




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"Was wäre wenn - ein Tag ohne Sozialphobie"
Preisausschreiben, Platz 1

Ein Beitrag der Selbsthilfegruppe "Einen Schritt Vorwärts" aus Bonn zum Preisausschreiben

Platz 1, Bild 1 Freiheit: "Ich freue mich auf einen Tag der unbegrenzten Möglichkeiten!"
Platz 1, Bild 2 Selbstbewusstsein: "Ich trete für mich ein und lasse mich von Widerständen nicht unterkriegen!"
Platz 1, Bild 3 Selbstakzeptanz: "Ich darf mir auf die Schulter klopfen und sagen, ich bin gut, so wie ich bin!"
Platz 1, Bild 4 Zugehörigkeit: "Ich fühle mich wieder wohl, unter Menschen zu sein."
Platz 1, Bild 5 Selbstbestimmung: "Ich halte die Fäden meines Lebens in der Hand!"
Platz 1, Bild 6 Freude: "Ich freue mich auf einen wunderschönen Tag!"



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Gewaltfrei erfolgreich

ZUSAMMENFASSUNG
   - Ich war mal wieder auffällig bei einer großen Demo
   - Wie überzeugt man trotz Gewalttätern im Umfeld?
   - Von sehr viel Zustimmung kann man "high" werden


Hier wieder ein Beispiel meiner "neuen Ideen gegen rechts". Ich zeigte das Plakat beim CSD-Umzug in Braunschweig Ende Juli. Eigentlich wollte ich es im Rundbrief nur kurz vorstellen, denn in meinen vielen politischen Texten in den letzten zwei Jahren habe ich schon fast alles gesagt. Aber erst ergaben sich in der Gruppe usw. einige Diskussionen darum, dann kamen die Terroranschläge in Barcelona und in Amerika.
Und erst die Bundestagswahl! Ein Slogan schlug mir besonders auf den Magen: "Die Freiheit der Frau ist nicht verhandelbar." 100% richtig. Nur von der falschen Partei aufs Plakat geschrieben: von der AfD. Warum hat es keine der klassischen Frauenrechtsparteien so deutlich ausgedrückt?! Ich hatte es letztes Jahr schon genannt: "Wie konnte gegen Brüderle heftiger protestiert werden als gegen die Kölner Grabscherhorde?"

Aber zurück zu meinem CSD-Plakat. Auch beim CSD geht es um eine Menschengruppe, deren Freiheit nicht verhandelbar ist: Homo-, Bi- und Transsexuelle. Ich bin zwar ganz normal hetero, habe aber die CSD-Feste immer als sehr tolerant kennengelernt. Außerdem - für mich sehr wichtig - war von linkstoleranter Seite ein deutliches Wort fällig: Der CSD-Umzug war drei Wochen nach den G20-Krawallen in Hamburg.
Noch das wunderbar positive Wowereit-Zitat dazu, und mein Plakat war fertig:
Der CSD ist gewaltfrei. Hier brennt kein einziges Auto. Und das ist gut so!
Als ich es in der Gruppe vorstellte, bekam ich mehrere Einwände. Diese möchte ich hier beantworten:

"Der CSD-Umzug ist nicht links, sondern nur ein großer Karneval."
Soweit ist die Gesellschaft noch nicht. Themen wie die "Ehe für alle" haben ein großes Potential für Debatten und gegenseitige Verhetzung - eben das bekannte Kaspertheater "Nazis gegen Volksverräter". Vor diesem Hintergrund ist klar, warum das Vorurteil "schwul gleich links" so populär ist. Trotz Alice Weidel. Und überhaupt: Wie überzeugt man die Gesellschaft von sich? Mit Terror und Randale - oder mit Karneval?

"Der CSD hat auch mal als Gewalt-Demo angefangen."
Ja, damals 1969. Aber auch hier ist die Frage nach der eigenen Strategie: Wie haben die Homosexuellen es erreicht, daß sie ihre Situation so sehr verbessern konnten? So sehr, daß sie keine Gewalt mehr nötig haben? Und ist das ein Erfolgsrezept für jene, die immer noch eine klammheimliche Zustimmung für meinungs-nahe Gewalttäter pflegen? (→1)

"Die Polizei hat den G20-Krawall mit ihrem Auftreten noch mehr angeheizt."
Die "Erbfeindschaft" zwischen Linksradikalen und Polizei wird tatsächlich von beiden Seiten gepflegt. Ich habe schon bei vielen Demos erlebt, daß von beiden Seiten Grenzen verletzt wurden. (→2). Das Rechtfertigungs-gejammer beider Seiten erinnert mich an ein Ehepaar im Scheidungsprozeß. "WIR haben doch nix getan, DIE haben angefangen." Bei solchem Streit ist die Frage nicht mehr: "wer hat angefangen?" Sondern: "wer hört zuerst auf". Überhaupt sollte die linke Szene sich die Frage stellen: "Wie überzeugen wir die Polizei davon, die Rechtsradikalen zu verprügeln statt uns?"

"Die Gewalt kam von Kriminellen und Provokateuren. 99% der Demonstranten in Hamburg waren friedlich."
Das weiß ich. Aber: ich weiß es eben nur. Ich kann es schon lange nicht mehr fühlen. Wenn man tatsächlich nur mit dem Herzen gut sieht, müssen die 99% für dieses Herz deutlich sichtbar sein. Leider ist die Logik der Angst eine andere: da bekommt das eine Prozent Gewalttäter 99% der Aufmerksamkeit.
Wenn ich als Teil der friedlichen Mehrheit demonstriere, will ich, daß sich andere meine Meinung wahrnehmen. Das werden sie nicht tun, solange sie Angst um ihre Autos (oder um ihre Zukunft) haben. Man kann das beklagen. Man kann es aber auch einkalkulieren und für sich nutzen.
Das Vorbild für Werbung zu den Bedingungen nachfühl-bar, medienwirksam und glaubwürdig - das ist immer noch Willy Brandts Kniefall. Normalerweise läuft eine Kranzniederlegung ja so ab: Zwei Assistenten tragen das Gestell mit dem Kranz vor das Mahnmal, dann kommt der Politiker und zupft ein bißchen an der Schleife. Auch Brandt hätte einfach nach der Art sein Beileid runternudeln können. Er hat es nicht getan.
Was hatte Willy Brandt mit den NS-Verbrechen zu tun? Nichts. Und damit genausoviel wie Erdogan mit dem Völkermord in Armenien, Trump mit dem Sklavenhandel, der Imam von Mekka mit dem "islamischen" Staat und die 99% Gutmenschen mit der Gewalt von Hamburg. Oft ist es eben notwendig und lohnend, sich von fremder Gewalt zu distanzieren. Deutlich ohne Ja-aber!

Wie war es bei dem Fest?
Mein Plan war, an der Straße neben dem zentralen Festplatz den Umzug an mir vorbeilaufen zu lassen und den Teilnehmenden das Plakat zu zeigen. Ich hatte zunächst etwas Angst, es auszurollen. Immerhin wußte ich nicht, wie die wahre Meinung der Anwesenden zur Politgewalt war.
Gleich die erste Reaktion war positiv: ein Daumen-Hoch aus dem Polizeiauto am Anfang des Umzugs. Im Nachhinein frage ich mich: durfte der Polizist das? Die Polizei hat die Aufgabe, die Durchführung des Umzugs zu sichern und sich ansonsten aus allen Meinungs-äußerungen herauszuhalten. Aber die Menschen in den Uniformen haben eben eigene Meinungen, andere als das System, für das sie arbeiten (→3).
Das Ausmaß der Zustimmung war dann größer als ich es je erhoffen konnte. 98% Zustimmung! So viele positive Reaktionen, so viele Foto-Anfragen! So viel Jubel selbst von den linksalternativsten Wagen (→4)! Ein besonderer Dank geht an die "Grüne Jugend", von der ein Vertreter kurz vom Wagen abstieg, um mir per Handschlag zu danken.
Ich wollte eigentlich nur den Umzug an mir vorbeilassen, aber dann war ich doch so "high", daß ich mich eingereiht habe. Das ging, als der Zug nach einer Runde um den Häuserblock noch einmal am Festplatz vorbeikam. Ein Fotograf bat mich, vor einer Gruppe mit zwei Meter großen Buchstaben - "Pride" - zu stehen, eben für sein Foto (→5).
Der Umzug dauerte noch über eine Stunde. In der Stimmung und der Zustimmung konnte ich nicht nur gehen, sondern sogar tanzen im Rhythmus der Musikwagen! Natürlich hielt ich das Plakat hoch und immer so, daß die Leute am Rand es lesen konnten. Besonders Polizisten und Autofahrer sollten es sehen.

Wie war das Medienecho?
Natürlich sah ich am nächsten Tag ins Internet. Wo sind die Fotos, für die ich posiert habe? 3 der 4 besuchten Nachrichtenportale zeigten Fotos nur von mir in ihren Fotogalerien. Einmal 3 von 250 Fotos, einmal eins von 27. Aber dann kam "regionalbraunschweig.de": Dort war ich das Zentrum gleich des zweiten Fotos - erst danach und viel kleiner kamen die Fotos der bunten Leute und Wagen. In einem Umfeld von attraktiven Fotomotiven ist das beachtlich.
Einen Fehler habe ich gemacht: ich hätte von Anfang an im Zug mitgehen sollen. Die Presseleute wollen ihre Bilder möglichst früh "im Kasten" haben, daher fand ich viele Fotos, die schon bei der Abfahrt der Wagen vom Parkplatz gemacht wurden.

Insgesamt habe ich aber zu 100% das Richtige getan. Und zwar politisch, propagandapsychologisch UND sozialphobisch. Es lohnte sich für alle.

Julian / Braunschweig

↑1 Hier hatte ich - Freud! - zuerst versehentlich "Gewalttöter" getippt.

↑2 Die "lachenden Dritten" waren immer wieder die Rechten.

↑3 Daran sind schon einige Diktaturen gescheitert!

↑4 Naja, der "schwarze Block" war nicht bei dem bunten Fest.

↑5 Die waren aus regenbogenbunten Luftballons an langen Stangen.




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Hochzeit aus Sicht eines Schüchternen

ZUSAMMENFASSUNG
   - Ich berichte über meine Erlebnisse bei einer besuchten Hochzeit
   - Allgemein herrscht ein Problem mit fremden Menschen auf begrenztem Raum
   - Konkret erlebte Situationen: Abkühlung am Pool, Hochzeitsfoto, Andrang am Buffet


Ich möchte in diesem Artikel ein bisschen über meine Erlebnisse als Schüchterner bei einer besuchten Hochzeit im Sommer berichten.
Grundsätzlich empfinde ich solche Veranstaltungen als Spießrutenlauf. Es sind viele Menschen auf einer begrenzten Fläche anwesend und diese Personen sind zu einem hohen Anteil völlig fremd. Man ist für eine gewisse Zeitdauer zwangsweise diesen Personen ausgesetzt. Zusätzlich ergeben sich immer unangenehme Situationen und Gespräche.
Allgemein lässt sich über die besuchte Hochzeit sagen, dass es mit fast 30°C viel zu warm für mich war. Dies hat zusätzlich an meinen Nerven gezerrt und den eigentlich positiven Grund des Besuchs erschwert. Glücklicherweise war der Dresscode sehr locker und es gab einen künstlichen Strand mit kleinem Wasserbereich. An dieser Stelle kommen wir schon zum ersten Problem für einen schüchternen Menschen. Dieser aufgestellte rechteckige Pool mit umlaufender Sitzgelegenheit war selbstverständlich bei der hohen Temperatur recht schnell von Leuten besetzt die nach Erfrischung suchten. Die Leute haben sich schnell mit einem Bier irgendwo dazwischen gedrängelt, ich hingegen betrachtete die Szenerie nur aus einer gewissen Entfernung. Erst als die Kuchentafel eröffnet wurde und sich die Personen auf die Süßwaren stürzten, ergriff ich meine Chance und zog die Schuhe aus und erfrischte mich kurz im flachen Pool - was für eine Wohlgefühl bei diesem Wetter. Mit dieser Erfrischung habe ich gleich zwei Fliegen mit einer Klappe geschlagen. Da ich mich nun am Pool befand, konnte ich den Menschenandrang am Kuchenbuffet umgehen. Nach dem ersten Andrang, konnte ich dann auch zur Kuchentafel gehen und mir ein leckeres Kuchenstück aussuchen.
Ein sehr kritischer Punkt für einen Schüchternen war dann endgültig erreicht, als der Fotograf zu einem Gruppenfoto aufforderte. Alle Hochzeitsgäste versammelten sich daher zuerst unter großen Sonnenschirmen und wurden dann aufgerufen. Das Schlimme an dieser Aktion war, dass fast jede Person einzeln mit Namen und Bezug zum Hochzeitspaar aufgerufen wurde und allen Gästen diese Information geliefert wurde. Der Weg zum Hochzeitspaar wurde dann zusätzlich durch Klatschen und Rufe begleitet. Ich empfand es als sehr unangenehm so auf dem Präsentierteller zu sein, aber es macht natürlich Sinn eine Vorstellungsrunde zu machen. Leider wurde ich recht früh aufgerufen und musste mich von meinem schattigen Platz in die pralle Sonne begeben. Aufgrund der großen Gästezahl zog sich dieses Prozedere recht lange hin und ich begab mich wieder zurück in den Schatten. Erst als alle Personen für das Foto positioniert waren und der Fotograf sich zur Kamera begab, ging ich wieder zurück zu meinem Platz.
Zu einem späteren Zeitpunkt der Feier war glücklicherweise der mir zugeteilte Essenstisch nicht mit unbekannten Personen besetzt und ich musste nicht zwanghafte Gespräche anfangen oder mich daran beteiligen. Zusätzlich ergab sich natürlich die gleiche Problematik wie bei der Beschaffung des Kuchenstücks. Wie man sich denken kann, habe ich bei einer solchen Feier natürlich auf die obligatorische Frage "Wann heiratest du endlich?" gewartet. Dieses Warten und die Vorbereitung auf eine schlagfertige Antwort war diesmal umsonst, auch mal was Schönes.
Jannis


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Was würde ICH da bloß antworten?
Teil 5: AA mach ich auf dem Klo!

Am Anfang dieser Serie hatte ich geschrieben: Alle Straftaten im Zusammenhang dieser Serie sind verjährt. Bei diesem Gespräch gilt es ganz besonders. Aber hier ließ sich auch der genaue Tag des Telefonats herausfinden: es war am 24. Januar 1992.
Man merkt dem Gespräch eh an, wie sich die Zeiten geändert haben. Heute wechseln manche ihr Telefon schon nach fuffzehn Monaten, und die Wanze ist toleriert unter dem Namen "App". Wer jedoch damals den Anrufer eines Telefonats herausfinden wollte, mußte bei der "Deutschen Bundespost Telekom" eine "Fangschaltung" beantragen.

(Wählton)
(übt das Begrüßen) Zentrale für Post und Störungen in Braunschweig, Müller guten Tag
(Angerufene hebt ab) [Name]
Ja guten Tag Zentrale für Poststörungen... Müller guten Tag in Braunschweig, ja...
WER ist da?!
Zentrale, für Post, und Störungen, in Braunschweig, Müller, guten Tag...
Ja, und?
Ja guten Tag. Also wir hatten, festgestellt, daß in Ihrem Anschluß, also wir können das feststellen durch Computer und so, hm daß in Ihrem Telefon leider ein Fehler ist, nämlich, daß da ausversehen eine Wanze reingebaut ist. Nun kann, also es hat sich so zugetragen...
Ach das ist doch Quatsch, was Sie da erzählen.
Nein!
Wieso wie soll denn in meinen Apparat ne Wanze kommen?!
Das, das ist, bei dem, bei der Herstellung schon passiert, den Verantwortlichen haben wir schon entlassen, und jetzt, ähm müssen wir, leider testen, ob bei Ihnen also eine Wanze vorhanden ist...
Ach das ist, also hörn Sie mal zu, den Apparat hab ich jetzt fuffzehn Jahre, jetzt, soll, sich sowas rausstellen, das ist doch, das ist doch 'n Märchen!
Nein das hat sich ja jetzt erst rausgestellt durch einen Fehler, in der Bande da, und jetzt müssen wir das leider mal feststellen. Also hm, könnten Sie mal, dreimal hinternander A, A, A sagen? Dann...
Ja, A, A, A, A mach ich gleich, ja, auf Toilette! A, A, A, A! Was soll denn das sein?!
Also... im B-Koordinator, der, Schaltwelle ist erstmal kein Fehler...
...so so, so Geschichten und alles, was soll denn, also das ist doch, das ist doch, das ist für meine Begriffe Unfug. Ich werd morgen auf de Post kommen und da horchen!
Also wirklich! (legt auf)

Es bleiben eine Menge Fragen:
1. Warum muß man A sagen, um einen B-Koordinator zu testen? Das wußte vermutlich noch nicht mal die "Frau Müller" von der "Zentrale".
2. Wie wäre das Gespräch verlaufen, wenn es nicht ein Kind geführt hätte, sondern ein professioneller Enkeltrickser? Der genau wüßte, wie die Störungs-stelle richtig heißt? Der nichts erzählt hätte von einem "Fehler in der Bande da", sondern sowas wie "15 Jahre, ja das paßt, einer der Angeklagten hat gestanden, in den Jahren 1975-1980 insgesamt 2000 Telefonapparate manipuliert zu haben"?
3. Wie konnte ich das Datum herausfinden? Durch ein anderes Gespräch vom selben Tag mit dem selben Thema. Hier ein Ausschnitt:

Oh, ich bekomme grade,
ja?
einen Zettel, daß Sie doch vielleicht nochmal etwas, irgendwas, einen Text vorlesen, auf, über einen längeren Zeitraum, oder, 'n paar Zeilen, denn, ebend, wurde das wohl irgendwie nicht richtig aufgezeichnet, denn
Achso, ja. Augenblick, da muß ich mal eben was holen (10 sek Pause)
Schön laut.
Aus'm, Fernsehprogramm
Ja
Der Landarzt. Dekelsens neuer Doktor war im Gefängnis. So langsam, oder lauter?
Ähm, langsam und laut, das wäre gut.
Die Bürger von Dekelsen sind mißtrauisch. Taugt der neue Landarzt etwas? Als sie erfahren, daß Dr. Ulrich Teschner früher als Gefängnisarzt tätig war, bahnt sich ein offener Skandal an. Der erste Patient: Polizist Eikmann, bei Dr. Ulrich Teschner. Mehr?
Ähm, vielleicht noch ein kleines Stück.
Der Alte. Ein Mord und gleich mehrere Verdächtige. Bistrobesitzer Naujoks ist tot, ermordet. Doch Haupt-kommisar Kress läßt die Beteiligten zunächst in dem Glauben, Naujoks sei durch einen Unfall gestorben. Mit dieser Taktik will er den Täter aus der Reserve locken. Und Verdächtige gibt es mehrere. Naujoks hatte mit seiner Frau um das Sorgerecht für den gemeinsamen Sohn gestritten. Außerdem deutet vieles darauf hin, daß er erpreßt werden sollte.
Ja... Ja, das ist sehr schön. Also jetzt über den längeren Zeitraum konnten wir nichts feststellen, wenn wir doch etwas finden, werden wir Sie informieren.

Die Webseite "fernsehserien.de" nennt den 24. Januar 1992 als Ausstrahlungstag für die genannten Serienfolgen.

Julian / Braunschweig


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zuletzt am 16.07.2023 um 12 Uhr 26