Selbsthilfe bei Schüchternheit und sozialer Phobie

 

Rundbrief Dezember 2005

Titelseite

Inhalt:
   - Neue Gruppen in Celle und Hildesheim
   - intakt e.V. in den Medien
   - Mailingliste zur Gruppenhilfe
   - (K)ein Weihnachtsmärchen

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ZITAT

"Kümmer dich um dein Leben
und dann kümmer dich um uns
Die Schäden könn' wir beheben
das ist nicht die Kunst
Wir müssen was bewegen
sonst bewegt sich nichts."

Die "Söhne Mannheims" erklären die Funktionsweise einer Selbsthilfegruppe



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Neue Gruppen in Celle und Hildesheim

Der intakt e.V. hat jetzt acht Gruppen. Zwei neue Gruppen sind gegründet worden und erhalten Anfangsunterstützung.

Eine Gruppengründung des intakt e.V. läuft so ab: Ein Vereinsmitglied (idR ich) besucht die ersten Gruppentreffen, leitet die Sitzungen, führt die Gesprächsleitung und den vorsichtigen Umgang mit "schwierigen" Mitgliedern vor. Die Gruppen sollten sich zwar selbst leiten, aber das kommt erst mit der Zeit.

Die Gruppe in Hildesheim hatte am 29.9. Premiere. Dort hielt ich meinen Vortrag mit Projektorfolien (der "Bilderzyklus" von schuechterne.org). Danach kam eine erste Vorstellungsrunde. Zum Gründungstreffen kamen 10 Personen. Auffällig war der hohe Frauenanteil, der sich aber in den ersten Sitzungen auf 50:50 reduzierte.
Am ersten Abend herrschte noch viel Stille. Deshalb unternahm die Gruppe beim zweiten Treffen einen Spieleabend in einer Kneipe. Dort bestand Gelegenheit, sich erst einmal vorsichtig kennenzulernen, bevor es beim dritten Treffen mit den problembezogenen Gesprächen losging. Der Spieleabend war eine Idee der KIBIS-Leiterin Frau Stoffregen-Petschull. Ich finde die Idee gut und kann sie in der nächsten Stadt empfehlen.
Die ersten Treffen fanden in einem angemieteten Raum statt, die Miete wurde vom Verein aus den Spenden der Gruppe bezahlt. Inzwischen hat sie einen kostenlosen Raum bezogen. Sie wird demnächst in die Selbständigkeit entlassen.

Die Celler Gruppe wurde am 1.11. gegründet. Der Zeitungsartikel war nur sehr klein - kleiner als beabsichtigt. Es waren 4 Leute da. Das ist zwar sehr wenig. Ich weiß jedoch aus Wolfsburg (wo die Gruppe am Anfang auch so klein war), daß sich die Zahl noch erhöhen hann.
Das Duchschnittsalter liegt etwa so wie in Peine oder Wolfsburg.
Das Gründungstreffen lief anders ab als ich dachte. Der Kontaktstellenleiter Herr Krebs erzählte den Anwesenden viel über die allgemeinen Regeln und Funktionsweisen von Selbsthilfegruppen. Ich ergänzte ihn, wo möglich oder nötig, mit typisch schüchternen Dingen und Erfahrungen aus den anderen sieben Gruppen. Ich hatte zwar meine Folien dabei, habe aber meinen bekannten Vortrag nicht gehalten. Es war aber trotzdem in Ordnung. Und mal ganz ehrlich: Ich war auch ein wenig froh drüber.

Ich habe die Erfahrung gemacht, daß die Leute am Anfang der Gruppe noch oft wechseln. Das ist verständlich, denn dann sind noch alle in der Kennenlern-, "mal sehen"- und Anfangs-Überwindungs-Phase. Und sie haben noch nicht die Erfahrung, ob die Gruppe geeignet für sie ist.

Wir begrüßen die neuen Mitglieder, wünschen ihnen viel Erfolg und freuen uns, sie kennenzulernen.

Julian / 1. Vorsitzender


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intakt e.V. in den Medien

Der Oktober war für den intakt e.V. ein Monat mit der größten Medienpräsenz Er war einmal im Radio und zweimal grooooß in der Zeitung.

Alle diese Artikel sind interessant. Aus Platzgründen können sie hier nicht alle abgedruckt werden (erst recht nicht in Originalgröße!) Deshalb der Verweis aus Internet: die Texte sind im Pressearchiv von schuechterne.org zu finden.

Wie viele große Dinge fing auch dies ganz klein an: Zur Gruppengründung in Hildesheim gab ich der Sonntagszeitung "Kehrwieder am Sonntag" ein Interview.
Es wurde gelesen von Frau Schulte von der Hannoverschen Allgemeinen. Sie besuchte mich in meiner Wohnung - genauer, wie sie es auch schrieb, auf meinem Balkon. Ich erzählte eine Stunde lang das alles, was ich inzwischen schon als "naja, das Übliche halt" bezeichne: Wie bin ich überhaupt auf die Idee gekommen, woher nehm ich den Mut, welche Leute sind in den Gruppen, ...

Der Text "Der Schüchternen-Beauftragte" erschien am 17.10. Ich merkte es früh morgens, als das Telefon mich aus dem Bett klingelte. Dran war eine Reporterin von NDR 1. Im Lauf des Vormittags riefen noch zwei weitere Journalisten an, und eine Reporterin der taz (die linke Tageszeitung) fragte per E-Mail.
Am Nachmittag desselben Tages hatte ich deshalb schon wieder Besuch - von der NDR-Reporterin. Sie zeichnete ein Interview auf.

Der Plan von RTL-Nord (Regionalfernsehen, ich glaube, das kommt um 18 Uhr), über uns zu berichten, scheiterte leider. Die Redakteurin erwartete, eine ganze Gruppe zu filmen. Als ich ihr nach einer Woche sagte, daß sich noch niemand außer mir bereit erklärt hatte, war das Telefonat sehr schnell vorbei.
Das war zwar eine verpaßte Gelegenheit, öffentlich zu werden, aber dürfte nicht so schlimm gewesen sein. Wer nach nur einer Woche mehrere Schüchterne vor der Fernsehkamera erwartet, braucht ohnehin noch Aufklärung, um welches Problem es in unseren Gruppen wirklich geht.

Dafür war das Gespräch mit der taz umso effektiver! Uwe und ich gaben ein einstündiges Interview, bei dem auch unsere verschiedenen - sich ergänzen-den - Meinungen rüberkamen. Daß dann eine ganze Seite in der Zeitung bei rauskommen würde, war für mich eine Riesenüberraschung!
In der taz wurde zum ersten Mal auch der Verein größer vorgestellt. Endlich stand in der Zeitung, daß es nicht nur einen Aktiven gibt, sondern schon eine richtige Organisation. Das macht gleich einen ganz anderen Eindruck.

Das große Presseinteresse sehe ich als Erfolg des intakt e.V. - was wir zusammen erreichen können und daß unsere Erfolge öffentlichkeitstauglich sind.
Wir brauchen auch die Medien, um unsere Gruppen, unsere Angebote und unsere Erfolge bekannt zu machen.

Ich wünsche mir, daß ich die Pressearbeit nicht länger allein machen muß. Aus meiner Erfahrung mit der Presse kann ich sagen, daß das nicht so schlimm ist wie befürchtet.
Ja, einiges wird falsch verstanden, z.B. die Geschichte mit dem Ring stimmt so nicht ganz. Doch im Großen und Ganzen kann ich es allen empfehlen.
Ich mache es nicht nur für den Verein, sondern auch, um vielen anderen ein positives Vorbild zu sein. Werdet aktiv, traut Euch, befreit euch, springt über eure Ängste!

Julian / Braunschweig


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Mailingliste zur Gruppenhilfe

Für Besucher und Organisatoren von Selbsthilfegruppen gibt es jetzt eine Mailingliste. Sie wurde von Peter aus Paderborn und Fred aus Dortmund gegründet und hat zur Zeit 10 Mitglieder. Die Adresse zum Anmelden ist:
http://www.sozial-phobie.net
Dort befindet sich ein Link zu einer E-Mail-Adresse zum Anmelden.

Die Liste dient dem Info-Austausch zwischen den Gruppen und damit der gegenseitigen Gruppen-unterstützung. Thema sollen nicht die Ängste selbst sein, sondern die Organisation der Gruppen: Möglichkeiten, Probleme usw. Sie ist sozusagen eine Onlineversion der intakt-Vereinssitzungen.
Daß die Liste nicht zum intakt e.V. gehört, sondern von zwei Gruppenleitern organisiert wird, kann für ihre Arbeit ein Vorteil sein. Eine Mailliste macht einen harmloseren Eindruck als das Wort "Verein".


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(K)ein Weihnachtsmärchen

Eigentlich wollte ich an dieser Stelle eine Auflistung von möglichen Problemen in Selbsthilfegruppen bringen. Es gibt da einiges, was ich in vier Jahren schon erlebt habe. Doch ich habe mich anders entschieden. Ich möchte etwas Positives schreiben. Ich habe vor kurzem meine eigene Angst vor aktiven Helfern und eine anstrengende Diskussion im Verein erlebt. Ich brauche im Moment viel Bestätigung für meine Schüchternenarbeit und möchte deshalb von einer solchen berichten.
Und außerdem ist bald Weihnachten. Da ist eine "erwärmende" Geschichte mit schönem Ende doch ganz passend.

Ich möchte hier also ein eigenes Erlebnis erzählen:

Seit über einem Jahr habe ich den Plan, Geld für etwas auszugeben, was meine Lebensfortschritte gut symbolisiert und dessen Kauf auch selbst eine Angstüberwindung ist. Alle Dokumente dazu (z.B. eine Terminkarte für ein erstes Beratungsgespräch) sammle ich in einem DIN-A4-Umschlag. Auch das Geld, um es zu bezahlen, verwahr ich da drin.
Der Plan ist so privat, daß ich in meiner eigenen Gruppe nicht davon erzählen konnte. Dazu ist er mir zwei Nummern zu groß, und ich vermute/befürchte auch, die Leute würden es aus Unwissenheit in eine falsche Schublade stecken. Ich hatte einmal zwar den Umschlag dabei, hab es dann aber nicht geschafft.

Nach vielen kleinen und schweren Schritten war ich Ende Oktober so weit informiert und motiviert, um zur Tat schreiten zu können. Ich hatte einen Brief an den Anbieter meiner Wahl vorbereitet, in dem ich nach der Möglichkeit eines Sonderwunschs fragte. Nur hatte ich mich nicht überwinden können, ihn auch abzusenden.

Doch da lernte ich in einer der beiden neuen Gruppen eine junge Frau kennen. Ich erfuhr zufällig, daß sie so etwas schon hinter sich hatte. Das machte es mir leichter: Ich nahm meinen Mut und schrieb ihr ein E-Mail: "Du hast das schon gemacht. Wie ist das? Was geschieht mit einem, wenn man das dann hat? Hast du Angst gehabt? Wie hast du die überwunden? Können wir da mal drüber reden?"
Sie schrieb mir schnell zurück - sehr positiv. Im zweiten Mail an sie schrieb ich einige Details mehr zu meinem Plan. Sie fand ihn gut, und wir verabredeten in Gespräch direkt nach der nächsten Gruppensitzung.
Wir gingen in eine Kneipe, und da redeten wir eine Stunde drüber. Ich legte den Umschlag auf den Tisch, erklärte, stellte Fragen. Sie spürte meine Ängste und Unsicherheiten, konnte mich aber gut beruhigen und mir einige Ängste nehmen. Auch interessante neue Aspekte dazu kamen auf.

Am Ende, als wir bezahlt hatten, fragte sie mich: "Möchtest du die Rechnung behalten?"
"Also... wenn du sie haben willst, dann verzichte ich."
"Nein, ich meine, tu sie doch in deinen Umschlag. Als Erinnerung, daß du heute wieder einen Schritt dahin gemacht hast."
Diese Idee - und das Ausmaß an Mitgefühl, das darin erkennbar wird - war das Schönste des Abends. Sie folgte sehr meiner Denkweise und meiner privaten Symbolik. Ich fand sie so passend; wohl zu passend, um selbst drauf zu kommen. Sie zeigte mir, daß ich auch in besonderen Lagen verstanden werden kann.

Ich kann zwar immer noch nicht mit jedem über meinen Plan reden. Doch ich habe inzwischen den Brief abgeschickt. Daß ich dazu den Mut gefunden hab, verdanke ich dem Gespräch mit ihr.

Und daß ich sie kennengelernt habe, verdanke ich der Gruppenvernetzung. In den vielen Gruppen kenne ich viele verschiedene Leute und steiger so meine Chancen, für die verschiedensten Pläne, Aktivitäten, Probleme usw. irgendwo den oder die RichtigeN zu finden. Und wie deutlich wurde, ist es mir mal wieder gelungen.

Julian / Braunschweig


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zuletzt am 16.07.2023 um 12 Uhr 26