Selbsthilfe bei Schüchternheit und sozialer Phobie

 

Rundbrief Dezember 2024

Titelseite

Inhalt:
   - Gedicht "Auf steinigen Wegen"
   - Jahresreflexion 2024
   - Meine Perspektive: Stiere bei ihren Hörnern packen
   - Buchbesprechung: "Think like a freak"
   - Soldatenballett gegen Sozialphobie

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ZITAT

"Das Geheimnis der Macht: zu wissen, dass andere noch feiger sind!"

Das Buch "Dumme Sprüche für alle Fälle" ist nicht so dumm wie sein Name



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Auf steinigen Wegen

Bist du gestolpert, mein Bruder, gefallen?
Glaub mir, das widerfährt einmal allen;
denn wir scheitern am Leben
auf steinigen Wegen.

Und half man dir auf, hat sich vor dich gestellt?
Glaub mir, auch solches geschieht auf der Welt;
denn wir teilen das Leben
auf steinigen Wegen.

Und hast du gebüßt statt heraus dich zu reden?
Glaub mir, zu lernen birgt Heilung für jeden;
denn wir wachsen am Leben
auf steinigen Wegen.

Lars O. Heintel


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Jahresreflexion 2024

Es gibt im Laufe eines Jahres oftmals Schweres und Schönes und es macht Sinn, sich damit zu beschäftigen, um dies ins Leben zu integrieren und einen guten Umgang damit zu finden. Es soll um ein persönliches Gespräch mit sich selbst gehen. Gerne können einzelne Aspekte in der Gruppe geteilt werden.
Dieses Angebot lädt Sie ein, eine persönliche Jahresreflexion durchzuführen

Zeit: Mittwoch 18.12.2024, 14:00-15:30
Ort und Veranstalter: Gemeindepsychiatrisches Zentrum im Gesundheitsamt, Hamburger Straße 226, 38114 Braunschweig

Es ist keine Anmeldung notwendig.


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Stiere bei ihren Hörnern packen
Von Wolfgang Chr. Goede

ZUSAMMENFASSUNG
   - Beobachtungen aus transatlantischen Welten.
   - Wie Kolumbien den unbeschwerteren Umgang mit uns lehrt.
   - Der ist auch möglich bei uns!


In Marx' dialektischem Weltbild müsste die Angst zuoberst thronen: Weil sie eine der genialsten Erfindungen der Evolution ist - trotz aller Pein sie unser Schutzengel ist; aber weil sie bei aller Funktionalität so herrlich absurd ist. Wie das?
Ich bin so ein transatlantisches Zwitterwesen. Lebe in Deutschland und Kolumbien, wo ich in Etappen viele Jahre verbracht habe. Jedes Mal bei meinen Einreisen beutelt mich der Kulturschock. Drüben Lächeln, Leichtigkeit: "Willkommen Amigo!" Hüben wächserne Gesichter, wortlos: "Was willst du hier?" Wir sind unwirsch, stachelig - schlimmer: Seit Pandemie, Energiekrise, Ukraine- und Nahostkrieg wir in Angst leben, in politische Extreme flüchten.

Dabei hat Kolumbien, weiß Gott, nichts zu lachen. Seit Jahrzehnten im Klammergriff der Drogenmafia á la Pablo Escobar, zweier Guerillafronten, Reich-Arm-Schere, ideologischer Links-Rechts-Trunken-heit. "Wo Himmel und Hölle miteinander tanzen" betitelte ich mal einen Report ... und trotzdem erlebe ich hier Humor, gegen alle Widrigkeiten, die Leichtigkeit des Seins: Hier bin ich Mensch, hier darf ich's sein.

Mein treuer Zeitungsverkäufer Dairo an der 33. und 80. mich bei meiner Wiederkehr wie den verlorenen Sohn begrüßt; ein Polizist in der Mittagsglut von einem Autofahrer eine Flasche Wasser spendiert bekommt; ein verlumpter Obdachloser, dem ich eine Pastete spendiere, von der Bäckerin "guten Appetit, mi amor" gewünscht bekommt; ein Vorbeiradelnder mir beim Plattfuß seinen eigenen Reserveschlauch aufzieht; eine Straßenkehrerin ihre Songs wie die Callas durchs ganze Viertel schmettert.

Stets kehre ich heim mit einem Riesenpolster an Zuversicht. Die freilich rasch unter die Räder gerät, was ich merke, sobald meine Kinder mich wegen essigsaurer Verbissenheit rügen. Beide sind infektiös, viral: die, zugegeben, mitunter naive Leichtigkeit, so wie auch Griesgram und Schwarzmalerei. Nur letztere der giftige Kompost für Ängste aller Art sind.

Ich will hier nicht German Angst strapazieren, auch nicht die Phrase, dass das Gras auf der anderen Seite grüner sei. Wobei die Hälfte der Kolumbianer bestimmt keine Sekunde zögerte, nach Deutsch-land überzusiedeln. Um dort materiell leichter zu leben, aber im Wechsel des Wetters, Übellaunigkeit, Krisenhysterie unversehens ihr Kapital einzubüßen. Seelenwärme! Wie ich das bei Eingewanderten so oft erlebe.

Seit vielen Jahren hoste ich an der Volkshochschule einen Small Talk Kurs. Stets rappelvoll, viele sind einsam, wollen leichter mit Menschen warm werden. Nur wie?

Ideenspender war ein verdienter Professor, mit dem ich am Rande eines Berliner Empfangs ins Gespräch kam: "Unter Hunderten kann man sich wie der Einsamste auf der ganzen Welt fühlen", murmelte er. Verzagtheit war ihm ins Gesicht geschnitten.

Deshalb raus aus dem Off, fröhlicher miteinander werden! Nur, den Königsweg habe auch ich nicht, außer: mit allen kreativen Mitteln zu inspirieren, motivieren, den inneren Schweinehund ... Andocken auch über vermeintliche "Bullshit"-Themen: Wie geht's? Sauwetter? - Federchen hin und her pusten, spielerisch! Den Stier bei den Hörnern packen.

Wer sich sozial gut bettet, ist resilienter, gesünder. Angstfreier halt. So einfach ist die Formel, zu der auch ich mich anhalten muss. Gegen meine Bio-Genetik und Kultur.

Wie sangen die Engelchen in Goethes Faust? "Wer immer strebend sich bemüht. Den können wir erlösen."


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"... und warum Selbstmordbomber eine Lebensversicherung abschließen sollten"

ZUSAMMENFASSUNG
   - Ein Buch als Anleitung zum Querdenken
   - Viele Anekdoten zeigen ungewöhnliche Erfolgswege
   - Am Ende ist aber wichtig, den eigenen Weg zu gehen


Ja, ich habe mal wieder ein Buch gefunden... Dieses hier hat das Wort "Freak" schon im Titel. Es ist auch in deutsch erschienen, im Büchertausch-Schrank habe ich das englische Original gefunden.
Die Autoren Levitt und Dubner sind promovierte Ökonomen, einer mit abgebrochener Rockstar-Karriere. Ihr Buch behandelt das Andersdenken, mit dem sie ihre Erfolge erreicht haben und immer wieder auch zurückgewiesen wurden. Eben "wie ein Freak". Doch wenn "Freak" etwas meint wie verrückt und unverstehbar - dann stellt das Buch die Frage: ist dann nicht die Mehrheit "freakig" und die Minderheit der Querdenker "normal"?

Das Buch bringt viele Beispiele und Anekdoten, aus dem Grundsatz heraus, daß Leute gern Geschichten hören. Es beginnt schon im Vorwort mit der "Psychologie des Elfmeters", warum der Torwart zur Seite springt, der Schütze sich das eigentlich vorher denken kann - und trotzdem nicht in die Mitte ballert, die der Torwart mit seinem Sprung freimacht. Ist nur ein Beispiel, aber Probleme wie dieses haben oft unerwartete Lösungen.
Die Kapitel behandeln je eine "freakige" Denkweise wie diese:

Dinge neu denken: andere Lösungen für Probleme finden. Solche Leute werden gesucht. Sie kriegen im Bewerbungsgespräch kein Wort raus, bringen aber später die Firma auf Gewinnkurs. Oder die Konkurrenzfirma, von der sie genommen wurden.

Einen Schritt weiterdenken: "Wir gehen Probleme an dem Punkt an, an dem sie uns am meisten belästigen." Das ist oft nicht der Punkt, an dem sie am besten lösbar sind. Dazu ist es nötig, nicht nach Antworten suchen, sondern neue Fragen stellen und diese Fragen zu finden. Eine dieser Fragen kann die Antwort haben, die das Problem tatsächlich behebt.
Das Buch stellt eine Menge ungewöhnliche Fragen. Die folgende ist zwar von mir, aber denen im Buch sehr ähnlich: Warum ist die AfD am erfolgreichsten in genau den Bundesländern, die 40 Jahre lang mit antifaschistischer Propaganda berieselt wurden?

"Als würde man einem Kind Süßes geben": Hier geht es um die wahren Interessen der Leute, die sogenannten "Incentives". Diese werden oft nicht zugegeben, wirken aber weiter. Anekdote aus dem Buch: Eine Spendensammel-Initiative schrieb Briefe wie "wenn sie uns spenden, bekommen Sie nie wieder Post von uns". Warum war das erfolgreich? Die Empfänger hatten plötzlich die Macht, ihr wahres Ziel zu erreichen, nämlich nervige Bettelpost loszuwerden.
Anreizsysteme können auch nach hinten losgehen. Denn "ein System ist nie so schlau wie die Leute, die es austricksen wollen."

"Laß den Garten sich selbst jäten": Schaffe eine Situation, bei der die Ehrlichen sich von selbst anders verhalten als die Betrüger. Bekannt ist die Bibel-Geschichte um König Salomo und das nicht halbierte Kind. Beispiel aus dem Buch: warum Spam-Betrugs-Mails so offensichtlich dumm formuliert sind. Wer es als Betrug durchschaut, soll das so früh wie möglich tun und dem Betrüger keine Arbeit machen.

Selbstverständlich behandelt das Buch auch das Problem, daß "Freaks" von der "normalen" Welt mißverstanden und daher ihre Gedanken als "ballaballa" abgetan werden. Daher hat das Buch auch ein Kapitel "Wie man Leute überredet, die nicht überredet werden wollen". Doch dort wirkt das Buch wie ein Bewerbungsratgeber.
Tips wie "Sieh das Ganze auch von der anderen Seite" oder "Behalte die Beleidigungen für dich" - ist das noch "freakig" oder doch eher gesunder Menschenverstand? Aber wenn diese Tips so nachvollziehbar sind, warum werden wir gerade aus der Weltrettungs-Ecke so angegeifert? Was sagt es über die Menschheit aus, daß empathisch-perspektivwechselnde Überzeugungstips als "freakig" gelten?
Mir fallen dazu die vielen Leute ein, die einen mit Argumenten überschütten und dann beleidigt rumpatzen, weil diese nicht überzeugen.

Insgesamt fördert "Think Like a Freak" ein offenes, neugieriges und analytisches Denken, das es ermöglicht, komplexe Probleme auf innovative Weise zu lösen. Aber wie schon genannt: ist das wirklich "freakig" oder schlicht gesunder Menschenverstand? Ist gesunder Menschenverstand tatsächlich freakig?

So kommt das bekannte Endergebnis heraus: Wen du Erfolg haben willst, mach dein Ding anders als "alle" es machen. "Anders als alle" ist dann doch "freakig".

Julian / Braunschweig


P.S.: Warum sollten Selbstmordbomber eine Lebensversicherung abschließen? Die Autoren waren als Berater an einer Rasterfahndung beteiligt. Dort fiel auf, daß viele Verdächtige keine hatten.

Steven B. Levitt, Stephen J. Dubner: Think like a Freak. Andersdenker erreichen mehr im Leben Englisch: Harper Collins Publishers, USA, ISBN 978-0-06-229592-7 Deutsch: Riemann Verlag, ISBN 978-3-570501689


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Soldatenballett gegen Sozialphobie

ZUSAMMENFASSUNG
   - Das militärische Ritual in Athen wirkt lächerlich
   - Wie ertragen die beteiligten Soldaten die Kuriositäten?
   - Mehrere psychologische Gründe sind möglich


Im Urlaub in Athen habe ich die Wachablösung vor dem griechischen Parlament angesehen. Die Wachsoldaten ("Evzonen") sind für ihre Bekleidung und ihre Zeremonie bekannt - und oft auch verspottet. Beides leitet sich zwar aus alter Volkskultur ab (ähnliche Bömmelschuhe habe ich im Volkskundemuseum ge-sehen), aber: im Militär werden seit mindestens 150 Jahren andere Uniformen getragen. Im Kampf so-wieso, aber auch bei Paraden und ähnlichen Vorzeigeaktionen. Der un-bekannte Soldat, der an der Mauer sein Ehrengrab hat, wird nie ein Röckchen getragen haben. Gilt ein solches nicht gerade in einer Waffen- und Machokultur als "schwuchtelig"?
Dazu das Ritual - sehr ballettartig mit künstlerischem Arm- und Beinschwingen. Ist es tatsächlich Vorschrift, mit metallbeschlagenen Schuhen auf dem Steinboden zu rutschen? Der davon deutliche Spuren bekommen hat?
Zur Wache gehört auch ein Offizier, der als einziger moderne Militärkleidung trägt und vor allem damit beschäftigt ist, die Touris auf Abstand zu halten. Gehört es zur offiziellen Zeremonie, daß er sich den Schnurrbart streicht? (Zumindest beide Offiziere, die ich beobachten konnte, haben das getan.) Auch die Soldaten im Röckchen sind echte Krieger mit Nahkampfausbildung.

Also bleibt die Frage: Was soll das? Wie halten die es aus, vom Rest der Welt wegen Kleidung und Tanz ausgelacht zu werden? Das ist etwas, was wir von ihnen lernen können.
Was könnte die Antwort sein? Mehrere Theorien:

Sie selbst würden diese Frage nicht stellen. Solche Wachen sind ein Ehrendienst, die Soldaten wollen das machen, durchlaufen ein strenges Auswahlverfahren und werden vom Rest der Truppe beneidet. Ist es also so ähnlich wie in Castingshows: die Leute nehmen jede Demütigung und Lächerlichkeit auf sich, bloß um einmal auf der Bühne zu stehen? Was zur nächsten Frage führt: Wer behauptet, dass Wachestehen und Bohlen-Vorsingen als beneidenswert gelten?

1. "Soldat" ist angeblich die Abkürzung für "Soll ohne langes Denken alles tun". Das läßt sich am einfachsten prüfen mit Aufgaben, die mit Lächerlich- oder Sinnlosigkeit das Denken provo-zieren. Wer macht bereitwillig mit, wer widerwillig, wer steigt aus? Das zeigt sich erst dann.

2. Jede Gruppe hat ihre Symbole, auf die sie stolz ist, auch wenn - gerade weil - sie von außen lächerlich wirken. Ähnlich veraltete Uniformen und Ehrenrituale finden sich auch in Schützenvereinen und Burschenschaften. In "politisch korrekten" Kreisen sind es die Sprachverrenkungen, obwohl und gerade weil die Welt sie höchstens gezwungen nachmacht. Sowas zeigt dem Rest der In-Gruppe, daß diese als wichtiger gilt als die Außenwelt.

3. Je öfter die Leute "sowas" tun, desto weniger Zweifel haben sie selbst daran. Die Leute wollen eben nicht zugeben, daß sie aktiv was "falsches" tun. Mit der Zeit fällt dieses Eingeständnis immer schwerer.

4. Es ist wie eine sozialphobische ÜÜberwindungsübung: Dinge öffentlich tun, nicht obwohl, sondern WEIL die Leute gucken. Wer sich traut, bemerkt bald: die erste Anspannung weicht einem Erfolgsgefühl. Ab da macht es Spaß, aufzufallen.

Der letzte Punkt leitet über zu uns - warum nicht mal selbst auffallen und das genießen. Es muß ja keine Palastwache, kein Bömmelschuh und kein Röckchen sein. Viele kennen meine knallrote Baskenmütze, mit der ich gern meine Vorträge beginne. Reicht ja schon.

Julian / Braunschweig


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zuletzt am 10.12.2024 um 06 Uhr 08