Selbsthilfe bei Schüchternheit und sozialer Phobie

 

Rundbrief August 2010

Titelseite

Inhalt:
   - Preisausschreiben -noch gehts!
   - Zwei Antworten auf "zwei Fragen"
   - TV-Suchaufruf
   - Vorstandswahl
   - Meine "Karriere" als Vuvuzelist

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ZITAT

"Je tiefer man sich bückt, desto leichter kann man getreten werden"

Klaus Bresser, Ex-ZDF-Chef, zitiert vom aktuellen ZDF-Chef Peter Frey im Spiegel 14/2010



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Preisausschreiben - noch möglich!

Zum Preisausschreiben (siehe Juni-Rundbrief) wurden uns mehrere Fragen und Bedenken gestellt, die hier für alle beantwortet werden sollen. Wir hoffen, damit Zweifel und Bedenken zu verringern.

"Wie lang soll der Text sein? Welche Vorgaben muß ich noch einhalten?"
So lang wie ihr ihn braucht. Naja, bitte keine 10 Seiten pro Person (wir müssen ja alle Texte lesen), aber den Umfang, den ihr für euer Erlebnis braucht, könnt ihr euch nehmen.
Zu genaue Vorschriften, wie der Text aussehen soll, möchten wir euch nicht machen. Denn wenn ein Text gut werden soll, muß er "aus der Feder fließen". Wer merkt, beim möglichst genauen Einhalten von Vorgaben zu verkrampfen, schreibt besser nach eigenen Vorgaben. Besser und erfolgreicher als ein Text, der auf unsere Vorgaben zugeschnitten ist, ist einer, der Deine Ideen und Gefühle authentisch wiedergibt.

"Ich mache nicht mit, weil ich eh nichts gewinne."
Es werden 3 Preise vergeben, egal wie viele Texte eingereicht werden. Das bedeutet: Je weniger andere mitmachen, umso größer sind Deine Chancen. Falls außer Dir nur zwei mitmachen, hast Du 30 EUR schon in der Tasche, auch wenn Dein Text nur 10 Zeilen lang ist (und die Voraus-setzungen erfüllt).
Außerdem haben auch Texte, die nicht unter die ersten drei kommen, eine weitere Chance: Wir können sie in das Buchprojekt "Erlebnisberichte" aufnehmen und auf diese Weise veröffentlichen.

"Ich möchte nicht, daß meine Erlebnisse außerhalb der Gruppe bekannt werden."
"Ich möchte nicht, daß ein Jurymitglied von meinen Erlebnissen erfährt. Ich möchte nicht darüber reden, wenn Julian wieder zu uns in die Gruppe kommt."

In diesem Fall schreibt es dazu: "Namen nicht weitergeben". Dann wird nur Dennis als Neutraler euren Namen kennen. Wer ganz sicher gehen will, reicht den Text auch nicht handschriftlich ein und ändert einige Angaben wie z.B. Ortsnamen.
Soll nicht einmal Dennis euren Namen nicht wissen: Sucht euch eine Vertrauensperson, die nicht mit einem eigenen Text teilnimmt (z.B. euren Gruppenleiter). Diese reicht den Text dann unter ihrem Namen bei uns ein. Selbstverständlich muß das Vertrauen zwischen euch beiden groß sein, denn im Fall eines Preises werden wir diesen natürlich auch an die Vertrauensperson auszahlen.

Als Beispiel für einen möglichen Text haben wir weiter hinten einen veröffentlicht. Dieser nimmt NICHT am Wettbewerb teil, weil Julian ihn geschrieben hat. Auch ist er kein Standard, euer Text kann völlig anders aussehen und trotzdem gewinnen.

So, wer noch mitmachen will, willkommen. Es ist eine Gelegenheit, bei der alle gewinnen, falls kein Geld, dann zumindest Erfolgsgefühl.
Der Einsendeschluß ist Sonntag, der 15.8. (Mail- und Poststempeldaten gelten).

Juni-Rundbrief mit Infos: www.schuechterne.org/rb103.htm


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Zwei Antworten auf "zwei Fragen"

Hier meine Antworten zu Julians "Zwei Fragen" im Juni-Rundbrief:

1.An Organisatoren und Kontaktstellen: An unseren Infoständen hört man immer wieder, "ich kenne jemanden, der...". Ich erhalte viele Anfragen dieser Art: "Ich rufe für meinen Sohn an" Es ist nicht immer die berühmte Notlüge. Wie geht ihr damit um? Was sagt ihr dann? Wie oft kommen bei euch die Betroffenen wirklich zur Gruppe, wie oft die Anrufer?

Im überwiegenden Teil (ich würde schätzen, 60 bis 70 Prozent) kontaktieren mich die Betroffenen selbst, auch bereits im jugendlichen Alter. Hierbei ist allerdings schon festzustellen, dass sie zunächst oftmals den Weg per eMail gehen, da diese Form der Kontaktaufnahme doch noch eine gewisse Anonymität ermöglicht. Im restlichen Anteil sind es oft Nachbarn, Eltern oder Freunde, die sich melden.
In der Regel reagiere ich dann zunächst völlig selbstverständlich, ja, verständnisvoll - und versuche dem Anrufer zu erklären, weshalb es dem Betroffenen überhaupt schwer fallen könnte, sich selbst zu melden. Man kann sagen, ich starte mit einer Kurzeinführung in das Thema "soziale Ängste". Ich biete dann meist erst einmal den Kontakt über die dritte Person, also den Anrufer, hin zum Betroffenen an. Informationsmaterial, die Adresse der Gruppe, einen Flyer - das gilt übrigens auch für den Besuch an einem Stand auf einem Selbsthilfetag o.a.
Bei einem Großteil der Betroffenen entsteht dann der Eindruck, ernst genommen zu werden. Sie rufen dann im zweiten Anlauf meist selbst an oder kontaktieren mich über andere Wege. Oftmals merke ich dann schnell, wie die Betroffenen praktisch im Übereifer gleich und sofort in die Gruppe kommen möchten, weil sie offenbar spüren, dass sie die Möglichkeit bekommen, in einem geschützten Rahmen nach langem wieder einmal Kontakte knüpfen zu können.

Andererseits sind es oftmals aber auch gerade die Angehörigen und Freunde, die auf eine Teilnahme in der Selbsthilfegruppe drängen, da sie entweder mit der Situation überfordert sind oder den Eindruck haben, Verantwortung abgeben zu können.
In beiden Fällen hinterfrage ich dann erst einmal, wie dringlich die Selbsthilfegruppe wirklich ist. Oftmals ist es ja "nur" eine gewisse Schüchternheit, die man auch anders lösen kann, beispielsweise durch das Erlangen von mehr Selbstständigkeit mithilfe von Bezugspersonen. Gerade, wenn ich die Vermutung habe, die Betroffenen fühlen sich von ihren Nächsten in eine Gruppe "abgeschoben", versuche ich, diesen Charakter zu entkräften, indem ich zunächst einmal Alternativen vorschlage.

In den Momenten, in denen Betroffene sich gerade zu wünschen, den Menschen aus ihrem Umfeld zu zeigen, dass sie ihre soziale Angst überwinden können, vermittle ich den "Team"-Gedanken. "Mit Hilfe der Gruppe kannst du beweisen, dass du ganz anders bist."

Und sollte wirklich keine der beiden Möglichkeiten weiterhelfen, dann suche ich auch (nochmals) das direkte Gespräch mit denen, die meinen, ihr Sohn, ihre Tochter, Freund, Bekannter usw. müsste unbedingt in die Gruppe. Oftmals liegt das Problem dann eher in einer Kommunikationsstörung aller Beteiligten oder gar in einer Schwierigkeit derjenigen, die versuchen, durch das "Abstempeln" eines Anderen von sich abzulenken.

Grundsätzlich gilt für mich auch: Deutlich machen, dass nicht jede Schüchternheit gleich "unnormal" ist. Wir neigen heute manches Mal dazu, schnell zu kategorisieren, weil wir uns keine Mühe mehr machen, uns mit jemandem zu beschäftigen. Ich erinnere dabei an das "AD(H)S-Phänomen": jedes unruhige Kind gilt schnell als betroffen, um einen "Auslöser" gefunden zu haben und ihn benennen zu können. Dass nur selten eine wirkliche ADHS-Problematik vorliegt, zeigen neueste Studien. Und dass wir es uns durch diese schnelle Klassifizierung sehr einfach machen - und damit einem Menschen oftmals überhaupt nicht gerecht werden, mache ich dann besonders denjenigen gegenüber deutlich, die jemanden wider Willen "anschleppen" und ihn der Gruppe vorstellig machen möchten.

2. An scheinbar im Leben Erfolglose: Fühlt ihr euch doppelt bestraft? Erst durch Mobbing und was ihr sonst hinnehmen mußtet - dann durch "die Welt draußen", die gerade eure durch diese Erfahrungen verbogene Persönlichkeit als Anlaß nimmt, euch abzulehnen?

Ich würde nicht sagen, doppelt "bestraft", sondern eher doppelt "herausgefordert". "Bestrafung" klingt recht resignierend. Dabei betrachte ich zum Beispiel auch eine Ausgrenzung oder Mobbing eher als den Aufruf, entweder mit mir selbst oder mit denen, die mich mobben und ausgrenzen, anders umzugehen.
Und ich würde schon durchaus auch sagen, dass noch eine zweite Herausforderung hinzu kommt: Durch Mobbing und Ausgrenzung wird man geprägt? Schüchternheit, Isolation, Zurückhaltung, Introvertiertheit, Sprachlosigkeit sind dann die Folgen für meine Persönlichkeit. Und anfangs fühle ich mich dann durchaus allein gelassen. Alle sind gegen mich, Depression macht sich breit. Das sich immer weiter drehende Rad aus Bemitleidung stößt ja aber genau neue Ablehnung an. Natürlich könnte man mein Schweigen auch als "Bestrafung" für die anderen sehen. Niemand kommt mehr an mich heran, niemand erfährt mehr etwas von mir. Das kann gerade auch für Außenstehende eine wirkliche Kränkung sein.
Von daher sehe ich es auch als Herausforderung, denjenigen, die sich für mich interessieren, meine Persönlichkeit, mein Inneres nicht sofort zu offenbaren. Auch wenn in einer Zeit, in der wir eher auf uns selbst gerichtet sind und kaum noch wahrnehmen, wie es anderen geht, denke ich, dass wir mit einem Geheimnis über unser Selbst so manchen dafür gewinnen können, an uns Gefallen zu finden.
Wiederum sollte das nicht so weit gehen, Schüchternheit und soziale Angst zum "Markenzeichen" werden zu lassen. Die zweite Herausforderung liegt wohl in der Kunst, das ablehnende Verhalten der Anderen so zu spiegeln, dass es in eine Neugier an unserer Person umschlägt und provoziert.

Dennis Riehle / Konstanz


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Vorstandswahl

Die Amtszeit des jetzigen Vorstands endet am 3.9.2010, denn dann sind wieder zwei Jahre seit der letzten Wahl rum. Daher muß bei der nächsten Mitgliederversammlung neu gewählt werden.
Das Amt Kassenwart muß nicht neu gewählt werden, da Tobias erst am 30.5.2009 nachgewählt wurde, seine Amtszeit läuft daher bis 2011.

Wie sieht die Vorstandsarbeit aus?
Interesse an unserer Vereinsorganisation ist wichtig. Alle wichtigen Formulare, Verträge usw. müssen von zwei Vorstandsmitgliedern unterschrieben sein.
Und drauf achten, was die Mitglieder wollen, und das ermöglichen. Als Vorstand, besonders als 1. Vorsitzender, ist man auch eine Art Identifikationsobjekt für Verein und Gruppen.
Es läßt sich aber vorstandsintern absprechen, wer mehr "im Wind steht" und wer mehr geschützt agiert.
Keine eigentliche Vorstandsaufgabe ist die wirkliche Selbsthilfearbeit: Gruppen gründen und unterstützen, Rundbrieftexte und Flugblätter schreiben, mit Journalisten reden, ... Das können auch Leute machen, die nicht im Vorstand sind.

Was sollte ein Vorstandsmitglied können?
Da gibt es nichts besonderes. Es ist sogar gut, wenn Leute mit verschiedenen Qualifikationen im Vorstand sitzen. Ein Akten- und Behördenspezialist, ein Freizeitorganisator, ein Antreiber, jemand, der/die Nestwärme erzeugen kann,...
Eins muß man aber auf jeden Fall können: Den Verein am Laufen halten. Wer wegen Krankheit, Kur, Depression, Urlaub oder Arbeitsüberlastung vorübergehend ausfällt, muß seine Aufgaben so lange an ein anderes Vorstandsmitglied abgeben können. Und das andere Vorstandsmitglied soll das auch solange übernehmen können.

Wie kandidiert man?
Kandidaturen und Vorschläge bitte dem (Noch-)Vorstand mitteilen. Das ist bis unmittelbar vor der Wahl möglich. Wer nicht selbst zum nächsten Vereinstreffen kommt/kommen kann, muß eine Kandidatur schriftlich einreichen.

Wird die Wahlversammlung wieder eine langweilge uneffektive Dauersitzung?
Wir versuchen alles, das zu vermeiden und sind zur Zeit auf der Suche nach einem attraktiven Treffpunkt und Rahmenprogramm. Genaueres wird auf der Einladung stehen, Ideen werden gern angenommen.


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Meine "Karriere" als Vuvuzelist

Die Fußball-WM ließ die Welt für einen Monat auf dem Kopf stehen. Das ist bemerkenswert, denn eigentlich müssen sich nur etwa 50 Leute vom Verlauf eines Fußballspiels betroffen fühlen.(→1) Aber auch alle anderen haben gute Gründe für den Ausnahmezustand.
Die Argumente sind hinlänglich bekannt: Daß endlich mal ein Grund da ist, um verrückt zu spielen, zu schreien und Gefühle zu zeigen - wo man sonst im Leben funktionieren und die heile Welt vorspielen muß. Daß man auch mal andere am eigenen Erfolg arbeiten lassen kann. Laßt "uns" erstmal Weltmeister werden, alles andere ist egal!
Daß wirklich alles andere egal zu sein scheint, zeigt auch die Herkunft vieler Fanartikel. An den Farben von Demokratie und Grundgesetz sollten eigentlich die Zustände in Billiglohn-Diktaturen noch unangenehmer auffallen als ohnehin schon.(→2)

Einen Fanartikel mußte ich aber doch haben: Die Vuvuzela, die Tröte, die angeblich 120 Dezibel erzeugt. Welch ein Ding: Die halbe Welt beschwert sich über ein primitives Plastikrohr. Der Autobaßlautsprecher mit Technomusik hat das meines Wissens nicht geschafft. Interessanter als die üblichen Gasdrucktröten ist die Vuvuzela auf jeden Fall, weil man eben selbst was tun muß. Und ich habe in den Tagen einen Vortrag gehört u.a. über revolutionäre Ideen in/aus Entwicklungsländern - sie ist gleich das passende Beispiel. Eigentlich ist die Vuvuzela wie wir: Beim ersten Eindruck unterschätzt, sie zeigt ihr wahres Können erst, wenn man sich auf sie einläßt. Und sie kann schon mal unangemessen laut werden.

Kurz: Ich mußte einfach selbst so ein Ding ausprobieren.

Nun bin ich aber niemand, dem im Fanrausch alles egal ist, daher konnte ich keinen Spontankauf machen. Auch meldete sich immer noch der "alte Hartz-4-Hamster" in mir: Wenn ich keinen Ton rausbekomme, wäre das Geld verschwendet.
Statt eine zu kaufen, informierte ich mich also im Internet und fand heraus, daß sie eine primitive Trompete ist. Zitat aus der Wikipedia: "Die Mensur der Vuvuzela ist darauf ausgelegt, den Grundton der Naturtonreihe mit sehr hoher Lautstärke spielen zu können."(→3) Von Naturtönen, die man selbst erzeugen muß, hatte ich einst in der Schule gehört, da hatte ich plötzlich Respekt.
Aber wenn es nicht einfach ist - wie kam es dann, daß Fußballfans scheinbar mühelos die Welt zum Fernsehton-Filtern zwingen?
Nach dem Serbien-Spiel drängte die Zeit: Falls Deutschland gegen Ghana verliert, würde womöglich keiner mehr Fanartikel kaufen wollen, die Regale ausgeräumt, und ich überhaupt keine mehr bekommen.
Nach etwas Zögern ging ich los, suchte in zwei Supermärkten, kam mir am Fanartikelstand komisch vor, obwohl das mitten in der WM nicht nötig wäre. Aber wie das bei solchen Übungen sein kann: dort fand ich keine. Erst einen Tag vor dem Spiel kaufte ich eine, als ich in der Fußgängerzone war. Dafür war ich eine Stunde eher als sonst nach Wolfsburg zum Gruppentreffen gefahren. In dem Laden voller Fan- und Geschenkkitsch kam ich mir komisch vor, aber auch das war eine Überwindung.
Eine unversteckbar 66 cm lange gelbe Nervtröte schaute aus meinem Rucksack.

Wieder zuhaus probierte ich sie aus. Jetzt stand sie in der Wohnung und "verlangte" einen Ton von mir. "Natürlich" kam nur ein Windrauschen raus. Im Internet suchte ich verschiedene Anleitungen (→4), die waren sehr kurz, nur drei Sätze, scheinbar ganz einfach. ("Lippen spitzen, ins kleine Ende blasen") Scheinbar ganz einfach - trotzdem erreichte ich nicht mehr als ein Windrauschen. Machte ich etwas falsch?
Manchmal war ein Oberton dabei. Er war nicht der Ton, den ich reinblies, aber auch noch nicht die 120 Dezibel. Das konnte es nicht sein.

Eine halbe Stunde vor Anpfiff des England-Spiels bekam ich schließlich den korrekten Ton. Ich blies, merkte, er kommt, er baute sich langsam auf... und endlich! Ich blies einen erstaunlichen Ton, und die Nachbarhäuser erzeugten ein ebenso erstaunliches Echo. Ich hatte es raus: Man muß das Mundstück an die Oberlippe legen und die Unterlippe ein wenig reinragen lassen, daß sie beim Blasen vibriert.
Beim ersten Tor hatte ich noch "Ladehemmung", aber mit der Zeit ging es besser. Nach dem Spiel traute ich mich sogar, auf der Straße zu tröten, wenn auch nicht mitten im Jubel, sondern in ruhigeren Ecken; konzentriert ansetzen, Unterlippe in Position bringen, dann tuten. Ein Auto mit jubelnden Insassen anzutröten hätte ich da nicht gewagt. Jubeld-spontan bekam ich den Ton noch nicht.

Kurz vor dem Argentinien-Spiel zog ich mich auf eine leere Wiese zurück, übte ein wenig und war dann sicher, verläßlich einen Ton herauszubekommen.
Ich kam mir komisch vor, als ich mit schwarzer Hose, rotem Hemd und gelber Vuvuzela am Bäckerstand ein Brot bestellte. Bei der Frage, welches Ergebnis ich erwartete, kam ich in Verlegenheit, schließlich kannte ich von den Argentiniern nur Maradona und Messi, und den auch nur vom Namen. Ich half mir mit "wird schwer, aber sie schaffens, hoffentlich schneller als vor vier Jahren."
Sie schafften es aber unerwartet deutlich - also der nächste Schritt: Keine Ausrede, raus auf die Fanmeile. Und was soll ich sagen - neben dem Autokorso in der jubelnden Menge gelang fast jeder Tröt! Mußte ich bis dahin noch stehenbleiben und erstmal Mundstück und Lippen justieren, ging es plötzlich auch im Gehen und spontan!
Nicht nur das: Da war ich auch einer der scheibar vielen, die scheinbar problemlos laute Töne aus dem Ding rausblasen. Wem es so ging wie mir am Anfang, sah jetzt auf mich und war neidisch!

Vielleicht ging es anderen auch so, daß sie wieder zuhause wieder nicht mehr "den Ton fanden". Ich brauche inzwischen auch wieder eine Minute, wenn ich in die Vuvuzela blase. Aber ich weiß, daß ich es kann, und daß ich nicht lange brauche, es wieder zu lernen.
Und ich werde es lernen: EM-Finale 2012, Deutschland-Spanien, 6 Minuten noch, Lahm schießt - Tor! Tor! Tor! Trööööööööt!

Julian / Braunschweig

↑1 Spieler, Ersatzspieler, Trainer, Ärzte, Schiedsrichter, Balljungen. Schon ein Zuschauer am Spielfeldrand müßte nur reagieren, wenn der Ball auf ihn zufliegt. Medien, Polizei und Wurstverkäufer nehmen das Spiel nur so wichtig, wie die Fans es tun.

↑2 Vuvuzelas, die unter diesem Namen verkauft werden, stammen aber aus deutscher Produktion. Das Wort wurde EU-weit als Markenname eingetragen - bereits 2007(!). Da hat jemand weiter im voraus geplant - das Gras eher wachsen hören - als alle Konkurrenz.

↑3 Mensur = grob übersetzt: Form des Rohrs

↑4 Übrigens führten 80% der Links zu "vuvuzela anleitung" zu Anleitungen, um Vuvuzela-Frequenzen aus dem Fernsehton herauszufiltern.




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zuletzt am 16.07.2023 um 12 Uhr 26